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„Es kann nie genug Anstrengungen für Frieden geben“

Interview mit der ukrainischen Psychologin Olena Melnyk

Das Netzwerk „Empathy Ukraine“ bietet emotionale Unterstützung an, die viele Menschen in der Ukraine derzeit dringend brauchen. Die Psychologin Olena Melnyk, eine langjährige Partnerin des forumZFD in Odessa, hat das Netzwerk mitgegründet. Im Gespräch erzählt sie, wie Empathie in der aktuellen Situation helfen kann und warum sie auch jetzt noch an gewaltfreie Methoden glaubt.
Interview Ukraine
© privat

Liebe Olena, seit mittlerweile über einem Jahr greift die russische Armee die gesamte Ukraine an. Du lebst und arbeitest in Odessa. Wie blickst du auf das vergangene Jahr zurück?

Als der Einmarsch am 24. Februar 2022 begann, war ich gerade bei einer Friedenskonferenz in Israel. Ich habe sofort meine Mutter angerufen. Sie hatte große Angst. Meine Mutter ist 1941 geboren, sie hatte also sofort den Krieg und dessen Folgen vor Augen. Als ich zwei Tage später in die Ukraine zurückkehrte, traf ich auf völlige Dunkelheit. Es gab kein Licht, alles war geschlossen, die Banken, die Geschäfte. Es war wie ein Kollaps – von allem. Auf Krieg kann niemand wirklich vorbereitet sein, denn alle hoffen bis zur letzten Sekunde, dass es doch nicht passieren wird. Meine ersten Tränen galten den Menschen, die sich dem Frieden verschrieben haben. Mir wurde klar, dass es auf der ganzen Welt niemals genug Anstrengungen für Frieden geben kann.

Ich glaube fest an Gewaltfreiheit und gewaltfreie Kommunikation. Das hat mir schon in der Vergangenheit in schwierigen Lebenssituationen Kraft gegeben und so war es auch im vergangenen Jahr. Als der Einmarsch begann, haben mir viele Menschen aus der internationalen Community der gewaltfreien Kommunikation geschrieben und ihre Unterstützung ausgedrückt. Ich konnte ihre Solidarität mit der Ukraine und uns Ukrainer*innen spüren. Diese Verbindungen zu anderen Menschen haben mir im vergangenen Jahr sehr geholfen.

Für Menschen aus der Ukraine war das vergangene Jahr in vielerlei Hinsicht extrem herausfordernd, auch emotional. Welche Gefühle haben deiner Beobachtung nach dominiert?

Die Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf den Krieg. In der gewaltfreien Kommunikation unterscheiden wir nicht zwischen positiven und negativen Emotionen. Alle unsere Gefühle sind wichtig. Sie sind Ausdruck von Bedürfnissen, die erfüllt sind – oder eben auch nicht. Wenn wir tiefer blicken, verstehen wir, warum die Menschen diese Gefühle haben. Krieg ist eine Krisensituation. Das lässt viel Zorn und Hass entstehen. Aber wenn wir diesen Emotionen auf den Grund gehen, erkennen wir, dass dahinter Bedürfnisse und Werte stecken wie Liebe, Würde, Sicherheit, Leben und Freiheit. Wie können wir diese Bedürfnisse und Werte in Zeiten des Krieges verteidigen? Wenn wir uns ihrer bewusst werden, gibt uns das Kraft und die Fähigkeit zu handeln.

Manche Menschen fühlen sich allein mit ihren Ängsten und ihrem Verlust. In dieser Situation hilft es ihnen, wenn sie wissen: Es gibt einen Ort, wo ich immer willkommen bin, wo ich akzeptiert werde und wo niemand mich verurteilt. Wenn die Menschen diese kleinen Inseln der Wärme und Verbundenheit finden, dann gibt ihnen das Hoffnung. Bereits vor dem russischen Angriff haben meine Kolleg*innen aus der Community der gewaltfreien Kommunikation und ich sogenannte Empathie-Kreise organisiert. In den ersten Monaten nach dem Einmarsch haben wir diese Kreise jeden Tag angeboten.

Lass uns dieses Projekt genauer anschauen: Gemeinsam mit deinen Kolleg*innen hast du bereits vor einiger Zeit das Netzwerk „Empathy Ukraine“ gegründet, welches emotionale Unterstützung anbietet. Das forumZFD hat das Projekt von Beginn an unterstützt. Wie ist die Idee dazu ursprünglich entstanden?

Ich habe das Netzwerk zusammen mit Angela Starovoytova und Artem Sivak gegründet, die beide ebenfalls Expert*innen in gewaltfreier Kommunikation sind. Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hatten wir die Idee, die Menschen in dieser Krise emotional zu unterstützen. Gemeinsam mit den Projektverantwortlichen beim forumZFD haben wir das Vorhaben weiterentwickelt. Wir hatten bereits zuvor Trainings in gewaltfreier Kommunikation in Odessa angeboten. Das neue Netzwerk bot eine Chance, noch mehr Menschen miteinander in Verbindung zu bringen, die überall in der Ukraine an diesem Thema arbeiten.

Wir bezeichnen uns selbst als „Gemeinschaft der Praktizierenden“, da es bei gewaltfreier Kommunikation nicht so sehr um die Theorie oder um Fachwissen geht – vielmehr ist es eine Art zu Denken und zu Handeln. 25 Personen sind dem Netzwerk beigetreten. Die Strukturen, die wir aufgebaut und die Erfahrungen, die wir während der Pandemie gesammelt haben, sind in der jetzigen Situation enorm hilfreich.

Das Team von „Empathy Ukraine“ (Olena Melnyk: obere Reihe, 3.v.l.).

An wen richtet sich das Projekt und wie genau laufen die Treffen in den Empathie-Kreisen ab?

Alle unsere Teilnehmenden sind Ukrainer*innen. Manche sind im Land, andere sind außerhalb. Einige leben in besetzten Gebieten oder in Regionen, wo gekämpft wird. Wir bieten sowohl Einzel- als auch Gruppentreffen an.

In den Einzeltreffen geht es hauptsächlich ums Zuhören. Die Teilnehmenden erzählen ihre Geschichte und nach einer Weile fragen wir, ob wir das Gehörte in unseren Worten wiedergeben oder eine Frage stellen dürfen. Wir achten immer darauf, dass die Teilnehmenden die Richtung des Gesprächs vorgeben. Indem wir eine Verbindung zu ihnen aufbauen und sorgfältig zuhören, verstehen wir ihre erfüllten und unerfüllten Bedürfnisse. Wenn die Teilnehmenden dazu bereit sind, können wir ihnen auch spiegeln, was ihre Geschichte in uns auslöst. Vielleicht geht uns eine Metapher durch den Kopf oder ein Zitat aus einem Lied, oder wir nehmen eine Reaktion unseres Körpers wahr. Die Teilnehmenden können dann sagen, ob unsere Reaktion ihre Gefühle richtig beschreibt – und wenn sie sagen: „Genau das ist es“, dann merken wir meistens schon, wie die Spannung nachlässt und die Teilnehmenden ruhiger werden.

Die Gruppentreffen nennen wir „Empathie-Cafés“. Hier hören die Teilnehmenden einander zu und teilen ihre Geschichten mit der Gruppe. Diese Treffen finden zweimal pro Woche statt und es nehmen normalerweise etwa zehn bis zwanzig Personen teil. Zweimal im Jahr veranstalten wir außerdem ein „Festival für Empathie“. Das ist ein ganzer Monat, in dem wir zusammenkommen und uns über Methoden der gewaltfreien Kommunikation austauschen, zum Beispiel über Selbstfürsorge. Ein weiteres Format sind die „Trauerkreise“. Dieses Thema ist momentan besonders wichtig, da viele Menschen Verlust erleben. Die Trauerkreise geben ihnen die Möglichkeit, darüber zu sprechen.

Finden alle diese Formate online statt?

Ja, fast alles ist online, da unsere Teilnehmenden an vielen verschiedenen Orten sind. In manchen Situationen hatten wir aber auch schon Treffen vor Ort. Einmal saß zum Beispiel einer unserer Kollegen während eines Raketenangriffs mit 250 Menschen in einem Schutzbunker fest. Er hat dann dort Gesprächskreise organisiert um mithilfe von Empathie den Menschen beizustehen. Andere Kolleg*innen, die aktuell nicht in der Ukraine sind, arbeiten beispielsweise in Unterkünften für Menschen aus der Ukraine.

Gebt ihr euren Teilnehmenden Ratschläge?

Nein. Wir glauben an die Kraft der Menschen. Unsere Aufgabe ist es, einen Raum anzubieten, in dem schwierige Gefühle zur Sprache kommen können. In der Fachsprache sagen wir, dass wir einen ‚Behälter‘ für diese Gefühle schaffen, eine Art sicheren Raum. Manchmal brechen die Teilnehmenden in Tränen aus, oder sie werden zornig, oder sie zeigen andere starke Reaktionen. Alle diese Gefühle sind uns willkommen und die Tränen werden zu Tränen der Erleichterung – nach einer Weile atmen die Teilnehmenden aus, der Körper entspannt sich und sie werden ruhiger.

Als Psychologin weiß ich, wie wichtig Empathie in allen helfenden Berufen ist. Wir schaffen einen sicheren Raum, in dem sich die Menschen ausdrücken können und wo wir sie mit all ihren unterschiedlichen Gefühlen akzeptieren. Sie verstehen, dass ihre Gefühle ganz normale Reaktionen auf die Situation sind. Nur wenn wir diese sichere Atmosphäre schaffen, wird es den Teilnehmenden möglich, über die Dinge zu sprechen, die sie wirklich bewegen. Sie können in die Zukunft blicken und schlussendlich Wege finden, mit ihren jeweiligen Herausforderungen umzugehen.

Wenn sich jemand verloren fühlt und wir sagen: „Ich bin hier, du bist nicht allein“ – das ist Empathie. Wenn wir einfach neben jemandem stehen, ohne zu sprechen, einfach miteinander atmen – das ist Empathie. Wenn wir jemanden nach seinen Bedürfnissen und Gefühlen fragen – das ist Empathie. Und wenn wir das Gehörte in eigenen Worten zusammenfassen – auch das ist Empathie, denn es hilft unserem Gegenüber, die eigenen Gefühle besser zu verstehen. Es geht hierbei also nicht um unsere Interpretation oder unsere Diagnose – sondern wir spiegeln der Person ihre eigene Perspektive wieder, blicken gemeinsam zurück auf den Weg, den sie zurückgelegt hat. Das hat eine heilende Wirkung.

Sicher habt ihr im Laufe des Jahres viele Geschichten gehört, die schwer zu ertragen sind. Wie gewährleistet ihr die Selbstfürsorge derjenigen, die zuhören und Empathie spenden?

Bevor wir anderen helfen können, müssen wir in der Lage sein, uns selbst zu helfen. Jede*r von uns hat ein oder zwei Personen in der Community, mit denen wir sprechen können – wir nennen das „Empathie-Freund*in“. Das ist wirklich sehr hilfreich. Außerdem treffen wir uns wöchentlich zu Intervisionen. Dabei diskutieren wir einzelne Fälle, tauschen uns über unsere Ideen aus und unterstützen einander. Ein- oder zweimal im Monat laden wir externe Fachleute oder internationale Trainer*innen ein, die mit uns an schwierigen Fällen arbeiten. Außerdem arbeiten wir eng mit Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen zusammen. Wenn wir merken, dass Teilnehmende weitergehende Unterstützung benötigen, dann stellen wir den Kontakt zu diesen Spezialist*innen her.

Welche Themen bringen die Menschen in die Treffen mit?

Man könnte meinen, dass sich alles um den Krieg dreht, in dem wir uns befinden. Das stimmt auch teilweise, aber tatsächlich beschäftigen die Menschen auch andere Dinge. Der Krieg öffnet viele alte Wunden. Da geht es zum Beispiel um Beziehungen in der Familie oder am Arbeitsplatz. Das Leben geht weiter, sogar im Krieg.

Nimmst du in der ukrainischen Gesellschaft neue Konflikte oder gar eine Polarisierung aufgrund des Krieges wahr?

Es ist auf jeden Fall so, dass die Menschen im Moment viele unterschiedliche Erfahrungen machen: Manche sind im Ausland, andere sind in der Ukraine geblieben, manche Männer sind an der Front, wieder andere werden im Hinterland eingesetzt. Viele Menschen können nicht in ihre Heimat zurück, da es keinen Ort mehr gibt, an den sie zurückkehren könnten. Einige haben Angehörige verloren. Ich würde daher sagen, dass es während des Krieges manchmal schwieriger ist, andere Perspektiven und Meinungen zu akzeptieren. All unser Handeln ist auf den Sieg der Ukraine ausgerichtet und darauf, was getan werden muss, damit wir gewinnen. Wir setzen all unsere Kraft und unsere Waffen ein, um unsere Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen. Schließlich findet der Krieg in unserem Land statt.

In dieser Situation ist es für Ukrainer*innen enorm wichtig, dass ihr Leid anerkannt wird, dass sie Gehör und Unterstützung finden. Während die Kämpfe andauern und jeden Tag Menschen sterben, brauchen wir ein enormes Maß an Empathie und Unterstützung. Ich denke, dass macht es derzeit so schwierig, an Dialog mit Menschen aus Russland auch nur zu denken.

Indem wir Empathie spenden, vermitteln wir den Menschen das Gefühl, dass sie gesehen und gehört werden. Dadurch ermöglichen wir es ihnen mit der Zeit, einen ‚emotionalen Behälter‘ für sich zu entwickeln. Das versetzt sie vielleicht in die Lage, selbst Empathie zu spenden und andere Menschen in der Ukraine zu unterstützen. Das ist unser Beitrag in der aktuellen Situation: Das Angebot, empathisches Zuhören zu lernen. Das ist es, was wir unserem Land geben können – das Wissen über solche Methoden, mit denen wir uns gegenseitig unterstützen können.

Zerstörte Gebäude in einem Dorf nahe Chernihiv: „Krieg ist eine unmenschliche Prüfung für die Psyche“, sagt Olena Melnyk.

Wie du bereits erwähnt hast, ist die ukrainische Gesellschaft momentan zerrissen: Manche haben das Land verlassen, andere sind geblieben. Jetzt im Winter sind die Lebensbedingungen besonders hart. Machst du dir Sorgen, dass es einigen Menschen nach dem Krieg schwerfallen könnte, die Erfahrungen anderer zu verstehen und zu akzeptieren?

Es stimmt, dass es zurzeit verschiedene Wirklichkeiten innerhalb der Ukraine zu geben scheint, und auch eine andere Wirklichkeit für diejenigen, die sich außer Landes befinden. Das ist nicht immer einfach und natürlich müssen wir darüber sprechen. Es wird Zeit brauchen, eine gemeinsame Grundlage für die Zukunft zu finden. Der Winter ist wirklich hart: Hier in Odessa haben wir nur je zwei Stunden am Tag und in der Nacht Strom. Nichtsdestotrotz geht das kulturelle Leben weiter, die Theater haben geöffnet, Schulen arbeiten on- und offline, auch die Kindergärten sind offen. Wir haben Stromausfälle, aber Stadt und lokale Unternehmen haben sogenannte „Unbesiegbarkeitszentren“ eröffnet, wo man seine elektronischen Geräte aufladen und arbeiten kann. Ich persönlich habe das Gefühl, dass ich mich an die Situation angepasst habe, und ich habe tiefes Mitgefühl für diejenigen, die schwierigere Dinge durchmachen als ich.

Viele Menschen in der Ukraine haben Verwandte in Russland. Der Krieg trennt Familienangehörige voneinander. Können diese Beziehungen jemals wieder normal sein?

Aktuell sind der Schmerz und die Verluste auf der ukrainischen Seite so hoch, dass es manchen Menschen einfacher erscheint, die Beziehungen abzubrechen. Hinzu kommt, dass die Informationsräume komplett verschieden sind – was die Verwandten hören und dann in den Unterhaltungen äußern, steht in scharfem Kontrast zur Realität in der Ukraine. Das erzeugt zusätzlichen Schmerz. Wenn die Beziehungen innerhalb der Familien auf Liebe und Fürsorge aufbauen, können sie durch das gemeinsame Trauern und durch den Schmerz hindurch weiter bestehen. Aber wenn das Vertrauen nicht so groß und die Verbindungen nicht so eng sind, kann es sein, dass die Beziehungen abreißen.

Mir fällt außerdem auf, dass seit Beginn des Einmarsches viele Menschen hier in der Ukraine begonnen haben, Ukrainisch zu sprechen. Niemand zwingt sie dazu, es ist ihre freie Entscheidung. Das ist ein Zeichen der Solidarität und der Zugehörigkeit zu diesem Land, sowie eines Bewusstseins für die ukrainische Identität.

Welchen Raum gibt es in einem Land im Krieg noch für Gewaltlosigkeit und gewaltfreie Kommunikation?

Gewaltfreiheit ist in der aktuellen Situation sehr wichtig, denn dabei geht es nicht nur um Selbstfürsorge und Empathie – sondern auch um die Kraft sich zu verteidigen, Entscheidungen zu treffen, ehrlich zu sein, Verantwortung zu übernehmen und andere in Entscheidungsfindungen einzubeziehen. Mithilfe der gewaltfreien Kommunikation können Menschen einander verstehen und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden.

Ein Beispiel: In einem anderen Projekt mit dem forumZFD arbeiten wir in den Innenhöfen von Odessa. Wir wurden gebeten, die Kommunikation in den Nachbarschaften zu verbessern. Also haben wir Gesprächskreise organisiert, in denen die Anwohner*innen strittige Fragen besprechen konnten. In solchen Situationen ist gewaltfreie Kommunikation sehr hilfreich – denn wenn unser Kopf voller Emotionen ist, können wir nicht klar denken. Wenn wir jedoch unsere Gefühle akzeptieren, dann ist unser Verstand in der Lage, neue Ideen und Lösungen zu generieren.

Zum Beispiel hatten wir einen Innenhof, der zu einem 16-stöckigen Gebäude gehörte. Es gab sehr wenig Kommunikation zwischen den Nachbar*innen. Wir haben einen Gesprächskreis organisiert, in dem sie besprochen haben, ob der Keller in einen Schutzraum umfunktioniert werden könnte. So sind die Menschen ins Gespräch gekommen und haben einander besser verstanden. Schlussendlich haben sie nicht nur den Keller umgebaut, sondern auch andere Dinge umgesetzt, unter anderem Sitzbänke im Innenhof aufgestellt und Angebote für Kinder konzipiert. Stück für Stück ist die Kommunikation gewachsen. Dieses Beispiel zeigt, wie Gewaltfreiheit dabei helfen kann, das Leben aller zu verbessern. Die Methoden der gewaltfreien Kommunikation unterstützen die Menschen darin, ihre gegenseitigen Bedürfnisse zu verstehen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

„Vielleicht mein Glaube an die Zukunft, der mich weitermachen lässt“, sagt Olena Melnyk.

Welche Projekte schweben dir für die Zukunft vor?

Wir haben sehr viele Ideen. Zuallererst wollen wir natürlich unsere Empathie-Arbeit fortsetzen und das Netzwerk weiter vergrößern, denn aktuell brauchen viele Menschen diese Art der Unterstützung. Ich möchte gern auch mehr mit Kindern arbeiten. Hier ist der Bedarf sehr groß, da viele Kinder durch den Krieg traumatisiert sind.

Eine weitere Idee ist, mit Lehrkräften zu arbeiten. Gemeinsam mit dem forumZFD haben wir schon in der Vergangenheit mit Schulen gearbeitet und die Lehrkräfte waren sehr dankbar für das Angebot, sich in den Methoden der gewaltfreien Kommunikation fortzubilden. Ich denke, wir sollten diese Arbeit fortsetzen, denn die Lehrkräfte leisten gerade Unglaubliches – zuerst in der Pandemie und selbst jetzt im Krieg unterrichten sie weiter, sogar wenn der Strom ausfällt, mal online, mal offline. Und das, obwohl die Mittel für Bildung gekürzt wurden. Es braucht eine große persönliche Stärke, um diese Arbeit zu leisten, und ich denke, wir sollten Lehrkräfte so gut wie möglich unterstützen.

Außerdem sollten wir meiner Meinung nach Mittel und Wege finden, um Soldat*innen, Veteran*innen und ihre Familien zu unterstützen. Krieg ist eine unmenschliche Prüfung für die Psyche, in der die Menschen alle ihre Kräfte mobilisieren müssen um zu überleben. Die ständige Lebensgefahr verursacht enormen Stress. Deshalb ist es wichtig, dass die Gesellschaft sich um ihre Kämpfer*innen kümmert und ihnen hilft, mit den Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse umzugehen. Das wird uns als Gesellschaft helfen, schneller zum Frieden zurückzukehren.

Es liegt also noch viel Arbeit vor dir. Was gibt dir Hoffnung oder Kraft, um deine Arbeit fortzusetzen?

Vielleicht ist es mein Glaube an die Menschlichkeit. Ich bin fest überzeugt: Wenn wir offen miteinander reden, finden wir Wege der Verständigung. Vielleicht ist es mein Glaube daran, dass gerade niemand den richtigen Weg kennt – aber es gibt Kreativität und viel Raum für neue Ideen und neue Wege. Ich sehe, wie diese tragische Zeit des Krieges die Menschen zusammenbringt, Talente zu Tage fördert, wie neue Ideen und Initiativen entstehen. Das ist inspirierend. Vielleicht ist es auch mein Glaube an Zusammenarbeit. Im Leben kann ich manchmal alleine nicht viel ausrichten, aber auf dem Weg treffe ich andere Menschen und wir arbeiten zusammen. Besonders in den ersten Tagen nach dem Einmarsch hat mir die Solidarität enorm geholfen. Ich konnte sie fast körperlich spüren, auf der Haut und im Innern. Und ich verstand, dass ich mit anderen Menschen zusammen sein musste, zusammenarbeiten musste, gemeinsam etwas schaffen musste. Schlussendlich ist es vielleicht mein Glaube an die Zukunft, der mich weitermachen lässt.

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