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„Die Kraft der Frauen kann die Welt verändern“

Gedanken zur Rolle der Frauen in der Friedensarbeit

Ada Hakobyan ist Friedensfachkraft und Projektmanagerin des forumZFD in der Ukraine. Unter anderem unterstützt sie das Eltern-Netzwerk „Kidfriendly“. In ihrer eigenen Kindheit in Armenien hat der Krieg ihr Leben geprägt. In ihrem Beitrag anlässlich des Internationalen Frauentags schreibt sie, wie Frauen in Zeiten des Krieges helfen können, die Menschlichkeit und die Wärme in unseren Beziehungen zu bewahren.
Weltfrauentag; starke Frauen
© dandelion_tea on Pixabay

Ich bin nicht nur Mutter von zwei wunderbaren Kindern, sondern auch berufstätig: Meine Expertise liegt in der systemischen Analyse und Entwicklung von Organisationen. Seit 2019 bin ich Teil des forumZFD-Teams in der Ukraine. Zuvor habe ich in mehreren Ländern in Afrika gearbeitet, die Krieg und gewaltsame Konflikte erlebt haben. Dort habe ich Institutionen, Organisationen und Teams darin unterstützt, Reformen durchzuführen, sich neu aufzustellen und zu wachsen.

Das forumZFD arbeitet bereits seit mehreren Jahren in der Ukraine. Eines unserer ersten Projekte, das wir auch aktuell weiter unterstützen, ist die Nachbarschaftskultur in den Innenhöfen von Odessa. Ich habe unsere Partnerorganisation „Zatsikavleni“ dabei unterstützt, ihre Idee weiterzuentwickeln. Eine weitere Kooperation haben wir mit dem Eltern-Netzwerk „Kidfriendly“. Diese Partnerschaft haben wir nach Beginn des russischen Einmarsches neu aufgebaut.

Mein Ziel ist es, Teams dabei zu unterstützen, ihre Ziele klar zu definieren und Strategien zu entwickeln, um ihre Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich sehe, wie das den Organisationen dabei hilft zu wachsen – tatsächlich wachsen wir gemeinsam. Das inspiriert mich!

Zusammen mit unseren Partnerorganisationen möchten wir einen Beitrag leisten, um eine Atmosphäre in der Gesellschaft zu schaffen, in der die Menschen nicht nur frei sprechen können, sondern auch in ihrer Vielfältigkeit anerkannt und respektiert werden. Das ist nicht immer möglich. Aber unsere Partner*innen tun ihr Bestes, um diese Atmosphäre in den verschiedenen Communities zu schaffen. Wir helfen ihnen, ihren Ideen den Feinschliff zu geben, diese umzusetzen und die Wirkung zu vergrößern. Wir haben viel Expertise, die wir hier beisteuern können. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt nicht auf Dialog zwischen Ländern, sondern auf dem Dialog innerhalb der Gesellschaft und dem Dialog in kleinen Gruppen und in den Communities.

Ein wichtiger Erfolg im vergangenen Jahr war für mich, dass wir Kontakt zu zwei ganz besonderen Initiativen aufgenommen haben: Dem Eltern-Netzwerk „Kidfriendly“ in Odessa und dem Projekt „Träumen und Handeln: Heilen durch Kunst“ mit dem Künstler Andrey Utenkov. Wir sind auf diese Projekte zugegangen und konnten sie unterstützen.

Das Team von "Kidfriendly", ein Eltern-Netzwerk in Odessa.

Ich wünsche mir, dass der Krieg bald endet und unser Team und ich nach Odessa zurückkehren können. Es ist sehr wichtig, mit unseren Partner*innen vor Ort zu arbeiten und sie persönlich zu treffen, ihre Energie zu spüren – und zwar nicht bloß durch einen Bildschirm. Aus solchen persönlichen Begegnungen entsteht viel leichter etwas Neues und Kreatives.

Es sind schwierige Zeiten für uns alle, ganz besonders aber für Frauen und Mütter. Frauen brauchen nicht nur physische sondern auch emotionale Sicherheit. Frauen brauchen Raum und die Möglichkeit, ihre Sanftheit, Güte und Herzenswärme zu zeigen. In der aktuellen Situation müssen sie solche Gefühle für sich behalten. Im Krieg gibt es Dinge, die Priorität haben und andere Dinge, die warten müssen. Wenn wir aber die Gefühle, die in uns wohnen, über einen längeren Zeitraum nicht ausdrücken können, dann beeinträchtigt das nicht nur uns selbst, sondern auch unser Umfeld und andere Menschen, etwa unsere Kinder.

Frauen haben einen großen Einfluss und wir wollen, dass dies ein positiver und konstruktiver Einfluss ist. Ich habe selbst den Krieg in Armenien erlebt, mit gerade einmal sechs Jahren. Der Krieg hat mein Leben geprägt: Es gab wenig Raum, um Gefühle und Emotionen zu äußern, und die Eltern waren immer beschäftigt. Sie mussten sich um die wirtschaftliche Situation kümmern, ihre Familien ernähren. Meine Mutter konnte die zärtliche Seite ihrer Persönlichkeit nicht zeigen. Ich habe dadurch schnell gelernt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Es gab keinen Raum, um einfach Kind zu sein.

Wird der Krieg die Bildung beeinflussen? Ja, auf jeden Fall. Bildung ist nicht nur das Wissen, dass in der Schule vermittelt wird. Es sind auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Kindern und in den Familien. Es stellen sich in dieser Hinsicht viele Fragen, etwa: Kann der Online-Unterricht ein qualitativ gleichwertiger Ersatz sein? Können die Kinder genug Erfahrungen sammeln im Pflegen der Beziehungen in der Familie und in ihren Communities? Unterricht zuhause kann nur dann eine Alternative bieten, wenn die Eltern ein angemessenes Umfeld schaffen können – ist das möglich in der derzeitigen Situation, in der die Eltern überlastet sind?

Hakobyan

Frauen können dabei mithelfen, die Auseinandersetzungen in den Herzen zu beenden.

Ada Hakobyan, forumZFD Ukraine

Ich sehe die Rolle von Frauen im Krieg darin, wieder mehr Sanftheit in die Welt zu bringen. Der Krieg beeinflusst die Menschen auf verschiedenen Ebenen und es gibt verschiedene Wege, einen Krieg zu gewinnen. Der militärische Weg ist nur einer davon. Das Militär kann vielleicht das Ende der Kämpfe bringen, aber der Krieg wird in den Seelen der Menschen fortdauern. Frauen können dabei mithelfen, die Auseinandersetzungen in den Herzen zu beenden. Sie können die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Menschen ihre eigenen und tiefgreifenden Bedürfnisse und Emotionen erkennen. Sie können Räume schaffen, in denen wir uns verletzlich fühlen dürfen, in denen wir zur Ruhe kommen und uns wieder ganz fühlen. Alle Menschen brauchen das: Frauen ebenso wie Männer, und ganz besonders die Kinder.

Wenn wir unsere innere Anspannung abbauen, heißt das nicht, dass wir aufgeben. Es bedeutet schlicht und ergreifend, dass es mehr Weiblichkeit in der Welt gibt. Das verändert die Energie einer Gesellschaft. Die Menschen nehmen die Welt, das Leben, ihre Mitmenschen und ihr Umfeld anders wahr. Die zwischenmenschlichen Beziehungen selbst verbessern sich. Jede*r Einzelne fühlt sich mehr verbunden – mit sich selbst, mit dem eigenen Körper und Geist, aber auch mit den Menschen um uns herum.

Vielleicht verhindert die weibliche Kraft keine Kriege oder geopolitischen Konflikte. Aber sie hat die Macht, den Krieg in uns selbst zu beenden. Wenn es mehr Licht und Frieden in den Seelen der Menschen gibt, dann gibt es weniger Grausamkeit im Umgang mit Konflikten, und mehr Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht als Interview auf der Plattform „Kidfriendly“.

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