Trotz Corona geht Friedensarbeit weiter

Berichte aus Kambodscha, dem Jemen, Kenia und Bosnien-Herzegowina

Nahezu alle Lebensbereiche unzähliger Menschen weltweit sind momentan von der Corona-Krise betroffen – auch die Friedensarbeit. Akademie-Alumni des forumZFD berichten.
Covid 19 Aufklärung in Kenia
© Julius Wanyama

Das Virus verändert nicht nur die Arbeit selbst, da direkte persönliche Begegnungen kaum noch möglich sind. Hinzu kommt auch, dass der Zivile Friedensdienst häufig in Ländern arbeitet, in denen Menschen ohnehin schon stark durch Kriege oder Kriegsfolgen, Armut, fehlende Infrastruktur und Konflikte beeinträchtigt sind. Das stellt Friedensfachkräfte weltweit vor große Herausforderungen.

Wir haben die Absolvent*innen unserer Akademie für Konflikttransformation gebeten, uns von ihren Erfahrungen der letzten Wochen zu berichten. Zurück kamen sehr unterschiedliche Berichte aus den verschiedensten Winkeln der Erde, die wir hier in kurzen Auszügen wiedergeben.

Aus Kambodscha berichtet Sokha Chan, Alumna unseres Vollzeitkurses 2018: „Ich arbeite in der Khmer Community Development (KCD). Wir bemühen uns gerade, unsere Arbeit auf die neue Situation umzustellen. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Ernährungssicherheit und versuchen, die Angst, die in der Gesellschaft herrscht, zu reduzieren. Gleichzeitig arbeiten wir daran, das Bewusstsein für angemessene Hygienepraktiken zu schärfen. Wir passen uns täglich der Situation an und überlegen ständig, wie wir auf die aktuellen Bedürfnisse reagieren können. Zum Glück sind unsere Vorschläge bisher gut bei unseren Spender*innen angekommen, sodass wir unser Potenzial und unsere Ressourcen nutzen können um weiter zu arbeiten.“

Faiz Alsenwi aus dem Jemen absolvierte 2016 unseren Vollzeitkurs und arbeitet heute als Berater und Trainer im Bereich der Konflikttransformation für lokale und internationale Organisationen und Jugendgruppen in seinem Heimatland. Er erzählt, dass durch den seit sechs Jahren andauernden Krieg im Jemen das Gesundheitssystem praktisch zusammengebrochen ist. Auch die Bürger*innen des Landes haben kein großes Vertrauen in die staatlichen Autoritäten. Deshalb herrscht große Unsicherheit über den Sinn des Aufrufs zu Hause zu bleiben.

Auch seine Arbeit ist direkt betroffen, so Faiz, da das ohnehin schon schwierige Reisen im Land nun praktisch unmöglich ist. Momentan ist er entschlossen, als Vorsichtsmaßnahme bei seiner Familie zu Hause zu bleiben: „Wir alle versuchen, uns gegenseitig bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Vorbeugung des Corona-Virus zu helfen und eine gute Atmosphäre mit Zusammenarbeit und Spaß zu schaffen. So bleiben wir hoffentlich bei guter Gesundheit.“ Und trotz der widrigen Umstände sieht er auch positive Entwicklungen im Land: „Viele zivile internationale und lokale Organisationen haben Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen, indem ein Großteil ihrer Mitarbeitenden im Home Office arbeiten. Viele führen außerdem Sensibilisierungsmaßnahmen durch und stellen den Menschen Schutz- und Desinfektionsmittel zur Verfügung.“

Akademie Alumni Julius Wanyama aus Kenia bei seiner Arbeit

Akademie-Alumni Julius Wanyama arbeitet in der Abteilung für Zusammenhalt und Transformation der Organisation Haki Yetu in Mombasa, Kenia. Er berichtet: „Unsere Friedensarbeit hat nicht aufgehört. Was aufgehört hat, sind die Treffen, an denen viele Menschen beteiligt sind. Wir bearbeiten immer noch Einzelfälle online und unterstützen andere Friedensaktivist*innen. In Kenia hat die Regierung eine Ausgangssperre eingeführt, in der die Menschen nur von 5 bis 19 Uhr Ortszeit unterwegs sein dürfen. Die meisten Friedensakteur*innen und -gemeinschaften haben noch nie eine Ausgangssperre erlebt. Als Organisation konzentrieren wir uns auf die Sensibilisierung der Community für COVID-19, um Stigmatisierungen entgegenzuwirken und Unsicherheiten aufzufangen.“

In Sarajevo in Bosnien-Herzegowina fragt sich der forumZFD-Projektmanager und Akademie-Alumni Michele Parente: „Wenn wir uns im Krieg gegen das Virus befinden, welche Rolle habe ich dann als Friedensfachkraft?“ Zu seiner Arbeit in Corona-Zeiten sagt er: „Trotz aller Folgen des Krieges von 1992 bis 1995 zeigt die Pandemie, dass wir jetzt alle eine starke Solidarität, Empathie und individuelle Verantwortung benötigen. Alle politischen und ethnischen Differenzen und Konflikte sind noch da, ebenso wie alle einseitigen Geschichtsschreibungen, segregierte Bildungssysteme, das Misstrauen, der Hass, die Verleumdung von Genozid und Kriegsverbrechen, Diskriminierungen und Traumata. Momentan sind alle diese Dinge unter dem Gletscher Covid-19 bedeckt. Aber wir wissen alle, dass all das wieder an die Oberfläche kommen wird und unsere Arbeit deshalb dringend notwendig bleibt.“

„In der Zwischenzeit spreche ich viel mit meinen Kolleg*innen über unsere Ängste und Hoffnungen, die Maßnahmen und die politischen Entscheidungen. Zugleich versuchen wir, die Arbeit mit unseren Partnerorganisationen so gut es geht aufrecht zu halten. Momentan konzentrieren wir uns auf die menschlichen Werte wie Solidarität, Empathie und bürgerliches Engagement. Mit manchen Partner*innen organisieren wir Webinare und Online-Fortbildungen und andere Kolleg*innen bemühen sich, junge Aktivist*innen in der Westbalkan-Region zu virtuellen Friedensaktionen und kreativer Solidarität zu mobilisieren.“

Weitere Berichte von ehemaligen Teilnehmenden unserer Weiterbildungen finden Sie auf der Facebookseite der Akademie.