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Eine Gefahr für den Frieden in Mindanao

Stellungnahme zum „Anti-Terrorismus-Gesetz 2020“

Das philippinische Repräsentantenhaus stimmte Anfang Juni mehrheitlich für das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz 2020. Der Senat hatte bereits im Februar zugestimmt. Präsident Rodrigo Duterte muss das neue Gesetz noch unterschreiben, bevor es in Kraft treten kann. Das forumZFD beobachtet die Entscheidung mit größter Sorge und befürchtet negative Auswirkungen auf die Friedensförderung in den Philippinen, insbesondere in Mindanao, der zweitgrößten Inselgruppe im Süden des Landes.
Two men embracing each other
© Karlos Manlupig

Die philippinische Regierung ist dazu verpflichtet, ihre Bürger*innen vor Terrorismus zu schützen. Jegliche Maßnahmen zu diesem Zweck sollten jedoch konflikt-sensibel und nicht diskriminierend sein und im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards stehen. Andernfalls haben sie einen gegenteiligen Effekt.

Tatsächlich lassen sowohl die internationalen Menschenrechte als auch die philippinische Verfassung von 1987 weitreichende Maßnahmen zu, um Bedrohungen der nationalen Sicherheit abzuwenden. In Ausnahmesituationen sind sogar Einschränkungen bestimmter Bürgerrechte möglich. Allerdings müssen solche Einschränkungen sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Alle Maßnahmen müssen auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit beruhen und sicherstellen, dass keine Diskriminierung erfolgt.

In seiner jetzigen Form gefährdet das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung, Privatsphäre und ein rechtsstaatliches Verfahren.

Das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz räumt den Strafverfolgungsbehörden und dem Militär einen großen Ermessungsspielraum ein. Dadurch gefährdet es das Recht auf Leben, Freiheit und Schutz vor Folter. Zudem ist die Definition von Terrorismus sehr weit gefasst. Insgesamt stellt das neue Gesetz sehr hohe Erwartungen an das philippinische Militär und die nationale Polizei und könnte in der Praxis zu Missbrauch führen, selbst wenn es in bester Absicht umgesetzt wird.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen könnten das Vertrauen der Gesellschaft in die staatlichen Institutionen, die eigentlich sie beschützen sollen, weiter untergraben. Dieses Vertrauen ist jedoch die Grundlage für eine erfolgreiche Gewaltprävention und den Aufbau eines dauerhaften Friedens.

Die Freiheit, auch abweichende Meinungen gewaltfrei äußern zu können, ist eine zentrale Voraussetzung, um der Zunahme und Verbreitung von gewaltsamem Extremismus vorzubeugen.

Das forumZFD befürchtet, dass das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz demokratische Spielräume weiter einschränken könnte. In seiner jetzigen Form kann es gegen die Opposition und Mitglieder der Zivilgesellschaft verwendet werden, wenn sie Kritik an der Regierung üben. Es muss jedoch möglich sein, auch abweichende Meinungen friedlich zu äußern. Nur wenn dies sichergestellt ist, ist eine erfolgreiche Prävention von gewaltsamem Extremismus möglich.

Ein Klima der Unsicherheit in der Zivilgesellschaft beeinträchtigt die Friedensförderung. Das forumZFD ist besorgt darüber, dass das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz eine allzu breite Definition von Terrorismus beinhaltet. Bereits der Vorläufer, das „Gesetz für Menschliche Sicherheit“ von 2007, ermöglichte einen sehr großen Interpretationsspielraum, was in der Praxis zu Missbrauch führte. Unter anderem wurden Menschenrechtsgruppen und kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft ins Visier genommen, darunter zum Beispiel Victoria Tauli-Corpuz, die Sondergesandte der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker. Statt eines Klimas der Unsicherheit bräuchte es für eine effektive Friedensförderung vielmehr Raum für Dialog und Verständigung.

Notfallmaßnahmen gegen Terrorismus können sich zudem negativ auf bestehende Konfliktdynamiken auswirken.

Aus Sicht des forumZFD ist es wahrscheinlich, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen bestehende Konfliktdynamiken in Mindanao verschärfen. Seit über zehn Jahren setzt sich das forumZFD für den Frieden in Mindanao ein und hat sich unter anderem intensiv mit der regionalen Anwendung des Kriegsrechts auseinandergesetzt. Die langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass Notfallmaßnahmen gegen Terrorismus zwar in manchen Fällen angebracht und wirksam sein mögen. Solche Maßnahmen können jedoch auch bestehende Konflikte weiter anheizen.

Das forumZFD warnt eindringlich davor, Konflikten und gewalttätigem Extremismus ausschließlich mit militärischen Strategien zu begegnen. Dies untergräbt die Bemühungen lokaler ziviler Friedensinitiativen und trägt zu einer Kultur der Gewalt bei. Allein mit militärischen Mitteln können die eigentlichen Ursachen und Triebkräfte der Konflikte nicht ausreichend adressiert werden.

Das sogenannte Anti-Terrorismus-Gesetz trägt zur Stigmatisierung der muslimischen und indigenen Gemeinden in Mindanao bei, wodurch eine weitere Eskalation der Konflikte in der Region wahrscheinlich ist.

Als in der Vergangenheit das Kriegsrecht in der Region Mindanao angewandt wurde, erreichten das forumZFD zahlreiche Berichte über sogenanntes religiöses Profiling, bei dem Personen allein aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit von Polizei- und Sicherheitsbehörden als verdächtig eingestuft werden. Auch kam es zu Einschüchterungsversuchen gegenüber Friedensorganisationen an militärischen Kontrollpunkten. Und nicht zuletzt verschärfte die Anwendung des Kriegsrecht das weitverbreitete „red-tagging“ (zu Deutsch etwa „rot markieren“), bei dem unliebsame Personen oder Gruppen als vermeintlich kommunistisch gebrandmarkt werden. Insbesondere indigene Gemeinden sind dieser Praxis ausgesetzt.

Wenn keine entsprechenden Schutzvorkehrungen getroffen werden, werden die neuen Anti-Terror-Maßnahmen die Stigmatisierung der muslimischen und der indigenen Bevölkerung weiter vorantreiben. In der Folge ist eine neuerliche Eskalation der bestehenden Konflikte in Mindanao und über die Region hinaus zu befürchten.

Das forumZFD erkennt ausdrücklich an, dass Terrorismus und gewaltsamer Extremismus eine Gefahr für den Frieden in Mindanao darstellen und dass dieser Gefahr angemessen begegnen werden muss. Die ergriffenen Maßnahmen müssen jedoch sorgsam abgewogen werden und im Verhältnis stehen zu bürgerlichen Rechten und Freiheiten. Andernfalls laufen die Anti-Terror-Maßnahmen Gefahr, bestehende Konflikte verschärfen.

Die philippinischen Gesetzgeber sollten auf eine Terrorismusabwehr hinarbeiten, die auf Konfliktsensibilität, gewaltfreier Konflikttransformation und der Wahrung der Menschenrechte beruht.

Das forumZFD empfiehlt eine kritische Überprüfung, ob das Anti-Terrorismus-Gesetz notwendig, verhältnismäßig und rechtskonform ist. Bei Bedarf müssen Verbesserungen vorgenommen werden, um den Missbrauch des Gesetzes in der Praxis und eine weitere Eskalation bestehender Konflikte zu verhindern.

Im Idealfall sollte der gesetzliche Rahmen eine Grundlage für offene und friedliche Räume des Dialogs bieten. Dies könnte ein Ausgangspunkt sein, um das dringend benötigte Vertrauen zwischen dem Staat und den vielfältigen Kommunen in Mindanao wieder herzustellen.

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