Herr Koufogiorgos, Sie haben nach dem Abitur 1989 in Athen ein Studium der Wirtschaftswissenschaften aufgenommen. Hat damals auch Ihre Karriere als politischer Karikaturist begonnen?
Ja, das war praktisch zeitgleich. 1990 habe ich erstmals eine Karikatur in einem politischen Magazin veröffentlicht, da war ich 18 Jahre alt.
Wann waren Sie überzeugt, Ihren Lebensunterhalt allein aus der Zeichnung von Karikaturen sichern zu können?
Ich habe mit 13 Jahren begonnen, das Karikaturenzeichnen intensiv zu üben. Mit 15 war ich davon überzeugt, es hauptberuflich zu machen, und ich bin froh, dass ich es auch geschafft habe. Kunst, und in gewisser Weise auch der Journalismus, ist eine Leidenschaft. Ich wollte nie etwas anderes tun.
Wann und warum sind Sie von Griechenland nach Deutschland gegangen? Und warum ins Schwabenländle nach Stuttgart, nicht nach Berlin?
Das hatte zwei Gründe. Zum einen habe ich 2006 die Finanzkrise – mit der auch eine Medienkrise einherging – vorausgesehen, und zum anderen habe ich in dieser Zeit meine jetzige Ehefrau kennengelernt, die eben in Stuttgart lebte. Vor wenigen Monaten sind wir allerdings weg aus Stuttgart ins schwäbische Umland gezogen.
Schmunzeln Griechen und Deutsche über dieselben Karikaturen oder ticken die beiden Kulturen anders?
Die Medienlandschaften in Deutschland und Griechenland unterscheiden sich grundlegend. Das liegt schon einmal daran, dass die Kultur des Zeitunglesens in Griechenland kaum existent ist. Die größte Zeitung in Athen verkauft so viele Exemplare wie hier eine Kleinstadtzeitung. Somit ist auch das Veröffentlichen von Karikaturen ein sehr schwieriges Geschäft.
Während man hier in Deutschland dazu neigt, die Zeitungen in Schubladen zu stecken, zum Beispiel in eher konservative oder liberalere, so ist die Presse in Griechenland deutlich parteiischer. Das geht mit einem ausgeprägten Populismus einher, der sich auch in den gedruckten Karikaturen abbildet. Und das ist eine Entwicklung, die mir persönlich überhaupt nicht schmeckt.
Das heißt aber nicht, dass Griechen und Deutsche nicht über die gleichen Dinge lachen können bzw. sich nicht mit den gleichen Themen beschäftigen. Vor einigen Jahren habe ich zum Beispiel eine Karikatur für die Titelseite der taz gemacht. Es war der Höhepunkt der Finanzkrise und man sieht einen Blitze schleudernden Wolfgang Schäuble auf einem riesigen Geldhaufen sitzend. Untertitel: „Auf dem Olymp“. Diese Karikatur wurde im griechischen Fernsehen gezeigt und als „deutsche Karikatur“ diskutiert, aber niemand hat gemerkt, dass der Zeichner ein Grieche ist.
Sie haben sich immer auch politisch engagiert, sei es gegen den Stuttgarter Tiefbahnhof, gegen Militarismus oder zuletzt mit einem Buch gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Verfolgen Sie eine Mission mit Ihren Karikaturen?
Das Wort Mission ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Letztlich verstehe ich mich als Journalist, als einen Kommentator. Nur kommentiere ich eben nicht mit einem Text, sondern versuche, meine Meinung mehr oder weniger verkürzt in ein Bild zu stecken. Und natürlich können gerade Bilder eine sehr starke Wirkung entfalten, sodass sie sich bestens eignen, um beispielsweise gegen Stuttgart 21 oder auch gegen populistische und extremistische Entwicklungen zu schießen. Karikaturen haben den Vorteil, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes eher ins Auge gehen als ein geschriebener Text und im besten Fall im Kopf bleiben.
Welche Karikatur ist Ihr persönlicher Favorit und welche hat den meisten Wirbel ausgelöst?
Es gibt immer mal wieder Karikaturen, die hohe Wellen schlagen, was sich meist in den Kommentarspalten der sozialen Medien widerspiegelt, manchmal auch in Leserbriefen. Meist dauert die Erregung, sei sie nun positiv oder negativ, aber nur kurz an, weil die tagesaktuelle politische Karikatur mein Geschäft ist. Und da ich täglich vier bis sechs Karikaturen mache, ist meist das nächste Thema schon da, bevor das vorherige ausdiskutiert werden konnte. Aus demselben Grund habe ich eigentlich keinen persönlichen Favoriten unter meinen Karikaturen. Aber es hat mich zum Beispiel gefreut, als die türkische Zeitung Cumhuriyet eine Karikatur von mir übersetzte und abdruckte, um damit den inhaftierten Karikaturisten der Zeitung zu unterstützen.
Seit nun genau sechs Jahren dürfen wir in unserem MAGAZIN auf Ihre Karikaturen zurückgreifen. Was hat Sie bewogen, dem forumZFD über all die Jahre Ihre Karikaturen gegen ein minimales Entgelt zur Verfügung zu stellen? Eine Karikatur haben Sie im Jahr 2013 sogar ganz speziell für eine Kampagne des forumZFD gegen den Zuwachs der Militärausgaben in Deutschland erstellt.
Ich nehme mir die Freiheit, meine Arbeit nur den Medien, Vereinen oder Organisationen zur Verfügung zu stellen, hinter die ich mich persönlich stellen kann. Da gehört das forumZFD eindeutig dazu.
Sie wurden mehrfach für Ihre Arbeit ausgezeichnet. Über welche Auszeichnung haben Sie sich am meisten gefreut?
Es gibt verglichen mit Reporter- oder Fotografenpreisen nur sehr wenige Auszeichnungen für Karikaturisten, deshalb freue ich mich natürlich über jede Anerkennung. Besonders schön fand ich aber einen Preis, der vom Bayerischen Journalistenverband zum Tag der Pressefreiheit vergeben wurde. Zum einen, weil er eben von einer sehr ernsthaften und fachkundigen Jury vergeben wurde, und zum anderen, weil eine Karikatur über ein ernsthaftes politisches Thema ausgezeichnet wurde und nicht etwa ein einfaches Witzbildchen. Gute Karikaturen sind ohnehin selten zum Lachen.
Welche spontane Assoziation verbinden Sie aktuell mit der EU?
Die EU ist in vielen Dingen zu schwerfällig, zum Beispiel bei Themen wie dem Klimaschutz oder dem Kampf gegen Lobbyismus. Auch das ganze Postengeschacher um die Juncker-Nachfolge war gelinde gesagt unwürdig und stärkt nicht gerade das Vertrauen in die demokratischen Strukturen der EU. Nichtsdestotrotz bin ich ein überzeugter Europäer, und wir sollten nicht vergessen, dass Europa nicht zuletzt ein Friedensprojekt ist.
Herr Koufogiorgos, vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Thomas Oelerich.