Klares „Nein“ gegen Rechts notwendig

von Konstantin Wecker

Konstantin Wecker
© Thomas Carsten

Bereits vor drei Jahren schrieb der Künstler und Musiker Konstantin Wecker in einem Nachwort des von ihm herausgegebenen Buches „Mein Kampf – gegen Rechts“ folgende Gedanken auf, die heute – nicht zuletzt nach den Geschehnissen in Chemnitz – aktueller denn je sind.

„(...) Man darf sich den Kampf gegen Nazis, Rassisten und Rechtspopulisten nicht zu einfach vorstellen, nur weil diese formal derzeit nicht an der Macht sind. Rechtsextreme üben Druck aus, greifen nach Macht und Einfluss auf allen Ebenen: auf den Straßen, in den Kneipen, im Internet wie in der großen Politik. Wer, wie ich es öfter getan habe, in Dresden gegen Nazi-Aufmärsche demonstriert, kann mitunter erleben, wie die Polizei tapfer und entschlossen einschreitet – auf der Seite der Nazis, die den öffentlichen Raum ja rechtmäßig ‚gemietet‘ haben. Rechte regieren indirekt schon jetzt überall mit, wo die etablierte Politik ihnen aus taktischen Gründen ein Stück entgegenkommt: um ihnen ‚den Wind aus den Segeln zu nehmen‘, ihnen ‚keine Steilvorlage zu geben‘ oder sie ‚aus den Parlamenten draußen zu halten‘. Wer aber mit Nazis in puncto Unmenschlichkeit Kompromisse schließt, hat schon ein Stück seiner selbst und jener Kultur preisgegeben, die in der Nachkriegszeit nicht umsonst sehr hellhörig gegenüber allem gewesen ist, was nach Rassismus und Fremdenfeindlichkeit riecht. Wer sich gegen Nazis klar in Stellung bringt, kann in Auseinandersetzungen verlieren; wer ihnen gegenüber jedoch von vornherein Boden preisgibt, indem er zum Beispiel immer härtere Maßnahmen gegen Flüchtlinge fordert, anstatt diesen ohnehin geschundenen Menschen großherzig zu helfen, der hat schon verloren.

(...) Mir graut vor einem Deutschland, in dem sich Terrorfurcht, Flüchtlingszustrom und die zunehmende Enttabuisierung rechter Diskurse zu einem explosiven Gemisch hochschaukeln. Vor einem Land, in dem man Krieg führt gegen den Hass, um dann verwundert mit anzusehen, wie sich aus Krieg neuer Hass gebiert. In dem man ein mörderisches Weltwirtschaftssystem unterstützt, das das Leben für die Menschen im Süden unerträglich macht, um dann entrüstet festzustellen, dass diese Menschen irgendwann aus purer Verzweiflung zu uns kommen.

Am Ende wird das Meinungsklima in Deutschland dermaßen vergiftet sein, dass sich die Menschlichkeit gegenüber der Unmenschlichkeit rechtfertigen muss – wie es heute schon teilweise der Fall ist, wenn Pressezyniker gegen ‚Gutmenschen‘ und ‚Versteher‘ geifern. Wenn man keinen Artikel mehr posten kann, der um Verständnis für Flüchtlinge wirbt, ohne dass einen Think-Tank-geschulte Recht(s)haber belehren, Mitgefühl ohne Vernunft sei doch eher schädlich. Und ohne dass braune Pöbler einen auf Facebook kampagnenartig beschimpfen und bedrohen. Als seien einfache ethische Grundsätze – Menschen aller Hautfarben sind von gleichem Wert und Hilfsbedürftigen muss man helfen – nur überholte Marotten von ein paar ‚Alt-68ern‘. Ich habe wirklich schon einiges mitgemacht in 40 Jahren aktivem Antifaschismus, aber ein solch geballter Dummheitssturm, eine solch epidemische Bösartigkeit ist auch für mich neu. Mehr und mehr kann ich die Gefühlslage Thomas Manns nachvollziehen, der im Exil seine ‚Trauer über den Abfall der Epoche vom Humanen‘ zum Ausdruck brachte. (...)

Man kann Angst bekommen, ja, aber man darf sich von dieser Angst auch nicht lähmen lassen, darf nicht nachlassen, den Nazis und Rassisten immer wieder ein klares ‚Nein‘ entgegenzuschreien: auf Straßen und Plätzen, im Internet, in Büchern, Gedichten und Liedern. Auch im Freundes- und Familienkreis, wo sich der derzeitige ‚Rechtsruck‘ oft am schmerzlichsten bemerkbar macht, weil scheinbar Verlässliches auf einmal zu bröckeln beginnt. Verständnis für die soziale Situation des nach rechts Abgedrifteten, für die psychopathologische Entstehungsgeschichte seiner Fremdenangst dürften wir durchaus aufbringen. (...)

Aber psychologisches Verstehen darf nie so weit führen, dass wir uns mit den Gemeingefährlichen gemeinmachen. (...)“