
Die Abgeordneten haben die Chance vertan, sich klar hinter einen bzw. eine der Spitzenkandidaten zu stellen. Jetzt hat der Europäische Rat mit der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Kandidatin aus dem Hut gezaubert, die im Mai überhaupt nicht zur Wahl angetreten ist.
Die Europäische Union braucht ein starkes Parlament als Gegenüber und Korrektiv für Rat und Kommission. Es war des EU-Parlament, das auf Intervention der Zivilgesellschaft hin, die von der Kommission geplanten Kürzungen der Mittel für Friedensförderung widersprochen hat! Es ist das Parlament, das wiederholt auf die Einhaltung der geltenden Rüstungsexportrichtlinien drängt.
Dem Parlament fehlt die Stärke, die ihm ein einheitliches Wahlrecht geben würde. Ihm fehlen auch substantiellere Mitspracherechte gegenüber Kommission und Rat. Aber es hat immerhin die informelle Regelung herausverhandelt, wonach die neue Kommissionspräsidentin oder -präsident aus der Reihe der Spitzenkandidaten kommen soll.
Die Wahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin der EU-Kommission durch das Parlament wäre ein Rückschritt für die europäische Demokratie und eine riesige (Ent-)Täuschung der Wählerinnen und Wähler. Denn sie durften zu Recht erwarten, dass die neue EU-Kommission von einer bzw. einem der Spitzenkandidaten geführt wird. Es wäre das vorläufige Ende des Prinzips der Spitzenkandidaturen, über das sich das Parlament mehr Macht erkämpft hat und das einen großen Beitrag zu der höheren Wahlbeteiligung geleistet hat.
Die Ernennung einer Verteidigungsministerin zur Kommissionspräsidentin wäre eine Entscheidung mit fataler Signalwirkung für das Friedensprojekt Europa: Die Europäische Union setzt den Kurs der Militarisierung und Abschottung fort. Als Verteidigungsministerin hat sich Ursula von der Leyen nachdrücklich und mit Erfolg für eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben und eine europäische Verteidigungsunion eingesetzt.
In der übernächsten Woche stimmen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments über ihre Kandidatur als Kommissionspräsidentin ab. Es bleibt also nur wenig Zeit, um die Abgeordneten davon zu überzeugen, dass dies keine gute Wahl für die Europäische Union wäre.
Wir im forumZFD haben uns in den letzten Monaten gemeinsam mit 20.000 Menschen und mehr als 100 Organisationen für die Rettung des Friedensprojekts Europa stark gemacht. Wir sind überzeugt: Europa als Friedensprojekt braucht ein starkes Parlament und mehr demokratische Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger. Europa als Friedensprojekt braucht mehr Einsatz für Frieden, Menschenrechte und gegen die Klimakrise statt mehr Aufrüstung und Abschottung. Dafür sollte auch die Wahl der/des neuen Kommissionspräsident/in stehen.