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Zusammen stehen gegen den „Deal“

Die Co-Direktorin von Standing Together, Rula Daood, im Interview

Der Anfang dieses Jahres von US-Präsident Donald Trump vorgestellte „Jahrhundert-Deal“ für Nahost stieß nicht nur auf palästinensischer Seite auf heftige Ablehnung. Auch in Israel protestierten zahlreiche Organisationen und Gruppen gegen den Plan, der aus ihrer Sicht eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts in weite Ferne rückt. Zu dem breiten Protestbündnis gegen den „Deal“ gehörte auch die Organisation Standing Together, mit der das forumZFD seit einiger Zeit zusammenarbeitet. Wir haben die Co-Direktorin Rula Daood zum Interview getroffen.
Kundgebung von Standing Together
© Standing Together

Standing Together (dt.: „Zusammen stehen“) ist eine Bewegung jüdischer und palästinensischer Aktivistinnen und Aktivisten in Israel, die sich für Frieden, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Die Gründerinnen und Gründer wollten vor allem eine Alternative zur festgefahrenen Parteipolitik und der NGO-Landschaft im Nahen Osten schaffen. So setzt sich die Organisation beispielsweise mit Kampagnen für die öffentliche Akzeptanz jüdisch-arabischer Partnerschaften oder für die Bürgerrechte von Palästinenserinnen und Palästinensern ein. Aber auch Themen wie Gleichstellung, Flucht und Migration sowie sozial- und wirtschaftspolitische Themen stehen bei Standing Together im Fokus. Ziel ist es, Menschen aus Israel und Palästina im Kampf gegen Ungerechtigkeiten zu vereinen und so Gemeinsamkeiten zu schaffen statt Unterschiede zu betonen.

Die gemeinsame Arbeit von Menschen aus Israel und Palästina zeigt sich bei Standing Together auch in der Leitung. Seit kurzen haben die Palästinenserin Rula Raood und der Israeli Alon-Lee Green gemeinsam die Führung der Organisation übernommen. Das forumZFD und Standing Together arbeiten seit 2017 zusammen. Im Rahmen eines gemeinsamen Workshops haben wir die neue Co-Direktorin Rula Daood zum Interview getroffen:

Wie würden Sie als neue Co-Direktorin von Standing Together diese Bewegung beschreiben?

Rula Daood: Standing Together basiert auf Intersektionalität. Die Bewegung befasst sich mit einer Vielzahl von Themen und versucht, verschiedene Bestrebungen zu vereinen, die alle miteinander zusammenhängen. Standing Together setzt sich gegen Rassismus und Sexismus, für Frauenrechte, Asylbewerber, Arbeitnehmerrechte, Rechte von LGBTIQ usw., ein. Die Bewegung war von Anfang an als jüdisch-arabische Bewegung definiert. Das ist der Hauptunterschied zu anderen Bewegungen. Nirgendwo anders findet man in der israelischen Gesellschaft einen solchen Raum, um beide Parteien zusammen zu bringen. Diese Partnerschaft gilt als die politisch unwahrscheinlichste innerhalb dieser so tief verwurzelten, politischen Trennung. Es ist unser Ziel, Mut zu zeigen und einen umfassenden Wandel herbeizuführen.

Erzählen Sie uns etwas über sich. Was ist Ihr Hintergrund, was ist Ihre Geschichte?

Ich komme aus einem kleinen palästinensischen Dorf im oberen Galiläa, Kufr Yaseef. Ich wurde in einem sehr unpolitischen Zuhause geboren. Mein Vater und meine Mutter waren die Generationen, die zwischen 1945 und 1967 unter dem Militärregime lebten. Als Kinder sahen wir die Welt anders und lebten in einer Blase. Deine Eltern entscheiden darüber, mit welchen Themen du dich beschäftigen darfst und mit welchen nicht, um dich zu beschützen. Deshalb wurden die meisten von uns als unpolitische Mitglieder in dieser Gesellschaft erzogen. Wenn man in einem Haus mit solchen Eltern aufwächst, fällt es einem aus Angst vor Ausgrenzung sehr schwer, politisch aktiv zu werden.

Unsere Eltern glaubten, dass der Schabak, der israelische Geheimdienst, tief in den palästinensisch-arabischen Gemeinschaften verankert ist. Sie durften sich also in keiner Weise äußern, nicht untereinander widersprechen und nicht politisch agieren. Wenn man jedoch auf so viele Rassisten stößt, die die eigene Identität auslöschen und einen nur deswegen demütigen, weil man einer palästinensischen Minderheit innerhalb Israels angehört, kommt man an einen Punkt, an dem es einem zu viel wird. Und man muss sich entscheiden: „Auf welcher Seite möchte ich stehen?“

Für mich waren es all diese kleinen Momente, in denen ich so behandelt wurde... Sie wissen schon, wie die meisten Minderheiten in Ländern behandelt werden, in denen es im Grunde keine Gleichberechtigung gibt. Es gab einen Punkt, an dem ich mich fragte: "Ist das die Gesellschaft, in der ich leben möchte?" oder "Werde ich einen anderen Weg wählen?" Als dieser Moment kam, wurde mir viel klarer, dass ich für meine eigenen Rechte kämpfen möchte und dass dieses Land auch mir gehört. Nach dieser Denkweise möchte ich leben und handeln. Ich werde nicht zum Schweigen gebracht. Ich werde nicht abwarten, bis etwas passiert. Ich werde in dieser Geschichte eine positivere Rolle spielen.

Wie sind Sie zu Standing Together gekommen?

Ich bin im Jahr 2017 zum ersten Mal mit der Bewegung Standing Together in Berührung gekommen. Es gab eine große Demonstration. Und dann sah ich diese Frau - lila Hemd - sie war eine Treppe hinaufgestiegen und stand höher als alle anderen. Sie nahm ihr Megaphon und begann, mit Menschen auf Arabisch und Hebräisch zu sprechen. In diesem Moment berührte mich etwas. Als ich später mit ihr sprach, fragte ich sie: „Wer bist du?“ und „Was machst du?“ Sie antwortete auf Arabisch und erzählte mir von Standing Together.

Einige Zeit später gab es diese sehr große Demonstration gegen das Nationalstaatsgesetz. Standing Together konnte sehr viele Menschen aus so vielen Landesteilen mobilisieren. Dies war im Grunde die erste große Massendemonstration, an der ich teilgenommen habe. Und die Leute hielten Schilder und schrien in beiden Sprachen. Dieser Moment war etwas sehr Eindrucksvolles: eine Demonstration, bei der 30.000 Menschen auf Arabisch und Hebräisch soziale Gerechtigkeit und Frieden forderten. Ich hatte das Gefühl, dass es bei dieser Basisbewegung mehr gibt, als ich bisher gedacht hatte, also bewarb ich mich um eine Stelle als Community Organizer.

Rula Daood

Jetzt, eineinhalb Jahre später, sind Sie Co-Direktorin innerhalb der Bewegung geworden! Wie möchten Sie Standing Together voranbringen?

Hauptsächlich wollte ich nationale Co-Direktorin von Standing Together werden, um Führungskräfte in palästinensischen Gemeinden in Israel aufzubauen und dazu auszubilden, Initiative zu ergreifen! In palästinensischen Gemeinden mangelt es an diesen. Wenn wir selbstbewusste Menschen finden, Persönlichkeiten, die keine Angst haben über die Politik der marginalisierten Gruppen zu sprechen, können wir vielleicht etwas ändern. Dann werden die Leute vielleicht mutiger sein Stellung zu beziehen und aus dieser unpolitischen Blase herauszukommen.

Und was ist Ihr Wunsch für die Zukunft von Standing Together?

Ich wünsche mir, dass 30 bis 40 Prozent aller Menschen in Israel Mitglieder von Standing Together sind! Ich möchte mehr engagierte Palästinenser aus Israel sehen. Es gibt große Lücken in der Allgemeinheit. Bildung, Politik, Alltag und der wirtschaftliche Status sind in der palästinensischen und der jüdischen Gesellschaft sehr unterschiedlich. Um dieses Engagement zu erreichen, muss ein Raum geschaffen werden, in dem die Menschen, die Jugendlichen, eine alternative Plattform zum Lernen und zum Beschaffen der benötigten Informationen haben. Aus vielen Gründen gibt es einen großen Mangel an solchen Plattformen und Institutionen in der palästinensischen Gemeinschaft innerhalb Israels.

Ich möchte einen Ort schaffen, zu dem die Leute gehen können, um ein Problem zu besprechen und um dort Informationen zu ihren Möglichkeiten zu erhalten, was sie tun und an wen sie sich wenden können. Wenn Sie zum Beispiel ein Problem in Ihrem Dorf lösen möchten, denken Sie zuerst an Standing Together, weil Sie wissen, dass diese Bewegung für Sie kämpfen wird, für Gleichberechtigung. Es wird einige Zeit dauern. Ich denke, es wird mehr als fünf Jahre dauern [lacht]. Aber die Leute brauchen Veränderung!

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