Nablus
Nablus ist als Handels- und Kulturzentrum bekannt. In der Altstadt gibt es viele historische Geschäfte. Eine der wichtigsten palästinensischen Universitäten, an-Najah, befindet sich in Nablus. Über 20.000 Studierende sind hier eingeschrieben. Die Stadt liegt im Gebiet A, in dem die Palästinensische Autonomiebehörde die Hoheit über zivile und sicherheitspolitische Angelegenheiten hat. Im Gouvernement Nablus gibt es mindestens 30 illegale israelische Siedlungen und Außenposten.
Dschenin
Im arabisch-israelischen Krieg von 1948 war Dschenin ein wichtiges Zentrum für jordanische und irakische Streitkräfte. Während der zweiten Intifada im Jahr 2002 war die Stadt Ziel einer Operation des israelischen Militärs, bei der Dutzende Menschen getötet wurden. An der Arabisch-Amerikanischen Universität von Dschenin sind mehr als 10.000 Studierende eingeschrieben.
Qalqiliya
Qalqiliya liegt ganz in der Nähe der Grenzlinie, die beim Waffenstillstand bei der Gründung Israels vereinbart wurde. Die Mauer, die das israelische Gebiet vom Westjordanland trennt, umgibt die Stadt. Viele Einwohner*innen von Qalqiliya arbeiten in Israel. Sie dürfen israelisches Gebiet nur mit einer speziellen Genehmigung betreten und müssen hierfür die Checkpoints für Fußgänger*innen passieren. Einen weiteren Checkpoint in der Gegend dürfen nur Autos mit israelischen Kennzeichen passieren. In der Nähe von Qalqiliya gibt es mindestens zwei Siedlungen.
Diese Studentin aus Dschenin ist eine Teilnehmerin in der Medien-Initiative „Dooz“, die das forumZFD unterstützt. Sie erzählt:
Der Himmel war voller schwarzer Rauchwolken und ich konnte die Stadt, die ich immer bewundert habe, nicht sehen.
Ich studiere Medienwissenschaften an der al-Najah-Universität in Nablus, stamme aber aus einem Dorf im Gouvernement Dschenin. Es ist schwer für mich, weil ich nicht in der gleichen Stadt wie meine Familie lebe. Das Dorf ist eigentlich nur eine Stunde entfernt, aber wegen der Checkpoints dauert die Fahrt manchmal drei oder vier Stunden. Es ist gefährlich, weil man nie weiß, wer in den öffentlichen Verkehrsmitteln mitfährt oder ob unterwegs etwas passiert. Es kann passieren, dass das israelische Militär das Fahrzeug durchsucht. Ich bin immer angespannt. Da ich Medienwissenschaften studiere, habe ich oft eine Kamera dabei, und ich bin mir nie sicher, ob die Soldat*innen etwas konfiszieren werden. Weil ich ein Mädchen bin, machen sich meine Eltern immer Sorgen.
Einmal brachen in Nablus Kämpfe aus, und ich saß ganz allein in der Stadt fest. Meine Freund*innen konnten die Stadt rechtzeitig verlassen und zu ihren Familien fahren. Es war so schrecklich, die ganzen Schüsse zu hören, all das zerbrochene Glas zu sehen. Ich wusste nicht, ob ich es lebend herausschaffen würde.
Am letzten Tag des Angriffs in Dschenin beschlossen meine Freund*innen und ich, Nablus zu verlassen, weil wir gehört hatten, dass das israelische Militär auch hierher kommen würde. Es war sicherer, bei unseren Familien zu bleiben. Nach zwei Stunden Fahrt kamen wir in Dschenin an. Wir wussten nicht, dass genau an diesem Ort Kämpfe stattfanden. Es war das erste Mal, dass ich inmitten des Kampfgeschehens stand. Es war der schrecklichste Moment in meinem Leben. Plötzlich kam ein Militärjeep, und die Soldat*innen richteten ihre Waffen auf Zivilist*innen. Gott sei Dank brachte uns der Fahrer an einen sicheren Ort. In diesem Moment der schweren Kämpfe konnte man den Himmel nicht mehr sehen. Er war voller schwarzer Rauchwolken und ich konnte die Stadt, die ich immer bewundert habe, nicht sehen.
Menschen von außerhalb bitte ich, die Geschichten aus beiden Perspektiven zu sehen und nicht zu denken, dass die Palästinenser*innen Terrorist*innen sind. Sie sind Menschen, die versuchen, ihre Heimat zu schützen. Ich rufe die Menschen dazu auf, offener zu sein, um zu erfahren, was in Palästina vor sich geht. Seht euch die Bilder an, denn diese sagen mehr als alle Worte. Die Menschen, die Dschenin nie besucht haben, möchte ich hierher einladen. Kommt her und seht euch Palästina an, wie es ist, schön und bunt. Ich habe zwar auch gemischte Gefühle, weil ich weiß, dass Palästina nicht sicher ist. Aber es ist wunderschön. Kommt her!
Frieden braucht Sie!
Danke für Ihre Unterstützung
Diese 26-jährige Frau aus Qalqiliya nimmt am forumZFD-Projekt „Jamea’s Banaat“ teil. Dabei handelt es sich um einen sicheren Raum für junge Frauen, wo sie lernen und Erfahrungen austauschen können. Sie erzählt:
In jedem Haus gibt es eine Geschichte, jede Straße ist voller Leben.
Während meines Studiums war ich oft in Dschenin und auch heute noch fahre ich manchmal wegen der Arbeit dorthin. Ich mag die Stadt wegen ihrer Menschen. Die derzeitige Situation ist sehr schwierig, und es ist das erste Mal, dass ich sehe, wie all diese militärische Ausrüstung gegen unschuldige Menschen eingesetzt wird. Auch nach dem Abzug der israelischen Armee ist die Lage immer noch schwierig, weil sie jederzeit wieder in die Stadt eindringen können. Wegen der Siedler*innen können wir uns kaum noch frei bewegen. Sie sind noch gewalttätiger als im letzten Jahr.
Mein Tagesablauf hat sich stark verändert, weil ich Qalqiliya wegen der Gewalt nicht verlassen kann. Früher bin ich drei- oder viermal pro Woche nach Ramallah gefahren, aber jetzt fahre ich wegen der Sicherheitslage und der Checkpoints nur noch selten dorthin. Außerdem wachsen die israelischen Siedlungen sehr schnell. Die ohnehin schlechte Situation hat sich weiter verschlimmert.
Ehrlich gesagt fühlen wir uns nicht mehr sicher. Wir sind traurig und enttäuscht, dass die internationale Gemeinschaft uns mit dieser furchtbaren Situation allein gelassen hat. Als ob wir es nicht verdienen würden, in Frieden zu leben! Aber ich war wirklich froh, als ich gesehen habe, wie die Palästinenser*innen zusammenstanden und dem Flüchtlingslager von Dschenin geholfen haben, obwohl wir nicht viele Mittel dafür haben. (Anm. d. Red.: In dem Flüchtlingslager von Dschenin leben viele Familien, die nach dem Krieg von 1948, der zur Gründung Israels führte, vertrieben wurden).
Ich rate den Menschen, Dschenin jetzt zu besuchen. In jedem Haus gibt es eine Geschichte. Das sollten die Leute hören! Jede Straße ist voller Leben. Ich treffe ständig Menschen aus dem Ausland und sie erzählen uns immer von dem falschen Bild, das sie von Palästina haben, und wie schockiert sie sind, wenn sie die Wahrheit mit eigenen Augen sehen. Kommen Sie und lernen Sie uns kennen!
Diese Person aus Dschenin studiert Medienwissenschaften und nimmt an der Initiative „Dooz“ teil, die das forumZFD unterstützt. Sie erzählt:
Beim Reisen fühlt man sich im Ausland sicherer als im eigenen Land.
Ich bin 19 Jahre alt und studiere an der Khodori Universität in Tulkarem. Mein Dorf liegt nur 15 Minuten von Dschenin entfernt, sodass ich 90 Prozent meiner Zeit dort verbracht habe. Wann immer wir ein offizielles Dokument brauchen oder einkaufen gehen, fahren wir nach Dschenin.
Aber dieses Jahr ist alles anders. Früher mussten wir nicht befürchten, zu spät nach Hause zu kommen. Wir konnten bis 21 oder 22 Uhr in Dschenin sein, weil es so nah ist. Jetzt haben wir immer Angst, dass etwas passiert, und wir müssen vor dem Abend zu Hause sein. Manchmal muss ich in Dschenin arbeiten, aber meine Mutter bittet mich, nicht hinzugehen und das Flüchtlingslager nicht zu betreten. Sie bittet mich auch, nicht in die Altstadt von Nablus zu gehen, weil sich die Situation jeden Moment verändern kann.
Ehrlich gesagt eskalieren die Ereignisse zurzeit sehr schnell. Das haben wir nicht kommen sehen. Was hier gerade geschieht, ist nicht normal. Es könnte zu einer dritten Intifada führen. Zur Zeit der zweiten Intifada war ich noch nicht geboren. Aber was ich in der Schule darüber gelernt habe, ähnelt sehr den Ereignissen, die jetzt passieren. Wir leben gewissermaßen in einer Intifada, aber wir wissen es noch nicht. Die Lage ist sehr ernst. Meiner Meinung nach fühlt man sich auf Reisen im Ausland sicherer als in seinem eigenen Land.
Es ist wichtig, dass die Menschen im Ausland die Wahrheit über Palästina erfahren. Wir sind keine Terrorist*innen. Wir werden unterdrückt. Vielleicht würden die Menschen uns helfen, ein internationales Abkommen zu erreichen, das all das Töten und die Zerstörung, die in Palästina tagtäglich geschieht, eindämmt. Die israelischen Medien sind stärker als die palästinensischen, aber wir wollen eine friedliche Lösung. Wir wollen einfach in Frieden leben. Ich möchte sagen: Kommt nach Dschenin und lernt die Menschen hier kennen. Es sind so nette und gutherzige Menschen. Dschenin ist so schön, friedlich und ruhig.
Ein Mitglied vom forumZFD-Partner „Dooz“, einer Medien-Initiative in Nablus, erzählt:
Wenn man einen Checkpoint passiert, ist man noch Stunden danach angespannt.
Ich wohne außerhalb von Nablus, muss aber wegen meiner Arbeit oft dorthin fahren. Die Situation wird immer schlimmer. Durch eine neue politische Vorgabe wurden die Kontrollen an den Checkpoints verschärft. Normalerweise haben sie den Checkpoint nur morgens geschlossen. Jetzt passiert das vier- oder fünfmal am Tag. Einmal war zum Beispiel die Straße gesperrt, weil israelische Siedler*innen eine Motorradrallye veranstalteten. Tausende Palästinenser*innen aus Nablus, Dschenin und Qalqiliya arbeiten in Salfit. All diese Menschen konnten wegen der Veranstaltung nicht weiterfahren. Die Schließung der Checkpoints wird von Tag zu Tag schlimmer und führt zu großen Spannungen. Wenn man einen Checkpoint passiert, ist man noch Stunden danach angespannt. Dann geht man nach Hause und streitet sich mit seinen Kindern oder seiner Frau. Die Checkpoints erzeugen jeden Tag neues Leid.
Darüber hinaus haben viele Menschen jetzt sogar Angst, nach Nablus zu fahren, denn es gibt viele Gerüchte, dass das israelische Militär nach Dschenin nun auch in Nablus einmarschieren könnte. Die Atmosphäre ist sehr angespannt. Die Menschen haben Angst und machen sich Sorgen, vor allem diejenigen, die Geschäfte haben. Der Handel ist fast um 80 Prozent zurückgegangen.
Früher bin ich jeden Tag nach Nablus gefahren. Jetzt kann ich das nicht mehr tun. Das wirkt sich natürlich auf unsere Arbeit und unser Büro aus, denn wir haben viele Auszubildende der Medienwissenschaften und viele Meetings. In normalen Zeiten gibt es viele Ereignisse und Themen, über die wir mit unserer journalistischen Arbeit berichten können. Aber in der aktuellen Situation finden keine Veranstaltungen statt. Es ist sehr schwierig, etwas zu organisieren. Oftmals planen die Leute etwas und müssen es dann absagen. Wer kann sagen, ob es einen Militäreinsatz im Flüchtlingslager Tulkarem oder in Nablus geben wird? In so einem Fall fahren keine Autos auf den Straßen, auch keine Busse, es gibt keinerlei Bewegung. Es gibt nur die israelische Armee und die Kämpfe. Das Gefühl der Unsicherheit ist sehr groß. Wenn ich nach Nablus fahre, bin ich froh, die Stadt wieder zu verlassen und nach Hause zu fahren.
Mir ist noch etwas anderes aufgefallen: Ich habe die Nachrichten der internationalen Presse gelesen und sie alle hatten ein gutes Verständnis von Israel und davon, was die israelischen Streitkräfte in Dschenin getan haben. Ich hatte den Eindruck, dass es in den Augen der internationalen Gemeinschaft eine gute Sache war und die israelischen Streitkräfte im Recht waren. Das gab mir das Gefühl, dass wir niemanden haben, der uns beschützen kann. Das Gefühl, nicht beschützt zu werden, wird immer stärker. Das ist ein schlimmes Gefühl. Du fühlst dich immer mehr als Opfer und als ob sich niemand um dich kümmert. Wenn sie dich umbringen, ist das egal. Tatsächlich ist es für die israelischen Soldat*innen und Siedler*innen so einfach geworden, eine*n Palästinenser*in zu töten.
Frieden braucht Sie!
Danke für Ihre Unterstützung