„Die Attacken israelischer Siedler*innen auf palästinensische Orte gehen weit über die bisher bekannte, alltägliche Gewalt im Westjordanland hinaus“, berichtet der Vertreter einer forumZFD-Partnerorganisation aus dem Norden des Westjordanlandes. Den Namen der Organisation dürfen wir zu ihrem Schutz nicht nennen. Aus der israelischen Regierung kamen unterschiedliche Reaktionen. Ministerpräsident Netanyahu rief dazu auf, das Gesetz nicht in die eigene Hand zu nehmen. Finanzminister Bezalel Smotrich hingegen erklärte, der Ort Hawara müsse „ausgelöscht werden“.
Neue Dimensionen der Gewalt in Palästina
„Der Angriff auf Hawara war systematisch, sehr gut organisiert und stand unter dem Schutz der israelischen Armee. Seit der Nakba 1948 haben wir so etwas nicht erlebt“, sagt unser Partner. „Häuser und Autos brannten, Tiere wurden getötet, das Land zerstört und geplündert. Es war auch das erste Mal, dass ein Minister offen zur Vernichtung einer palästinensischen Stadt aufgefordert hat. Wir alle wissen, dass frühere Minister die Gewalt gegen Palästinenser*innen unterstützt haben, aber zum ersten Mal wurde das klar ausgesprochen. Das ist sehr gefährlich.“
„Straßensperren im Westjordanland, Militärrazzien in palästinensischen Städten und plötzliche Angriffe durch Siedler*innen behindern die Umsetzung vieler Projekte, die auf Frieden und Gleichberechtigung zielen“, so ein*e Partner*in aus der Nähe von Ramallah. „Es wird gefährlich für die Menschen ihre Stadt zu verlassen, weil es nicht sicher ist, dass sie zurückkommen können. Frieden schaffen zwischen Israel und Palästina stürzt folglich abwärts auf der Agenda.“
Gewalt gegen Zivilpersonen in Israel
Angriffe auf Zivilpersonen finden nicht nur in Palästina statt. Zuletzt wurden drei junge Menschen in Tel Aviv zum Teil schwer verletzt. Zu dem Angriff bekannte sich die palästinensische Hamas, der Täter wurde noch vor Ort durch Polizeikräfte erschossen. Der Vater des Täters wurde inhaftiert und die Zerstörung seines Hauses angeordnet.
„Die jüngsten Anfeindungen und die Gewalt beeinflussen selbstverständlich unsere grenzübergreifende Arbeit, sowohl logistisch als auch emotional”, erzählen Mitglieder der israelisch-palästinensischen Organisation Combatants for Peace. „Auf die letzte Minute müssen wir Örtlichkeiten, Daten und Zeiten von geplanten Projekten anpassen, um niemanden einem Risiko auszusetzen. Wir sehen die Traurigkeit bei den Menschen, mit denen wir sprechen. Wut baut sich auf und das Gefühl von Hoffnungslosigkeit, das durch Gewalt hervorgerufen wird.” Die Combatants for Peace sind eine palästinensisch-israelische Bewegung, die sich mit gewaltfreien Mitteln für ein Ende des Konflikts und der Besatzung einsetzt. In gemischten Gruppen in Israel und Palästina arbeiten sie gemeinsam am Aufbau der notwendigen sozialen Infrastruktur. Weitere Informationen unter https://cfpeace.org.
Aufruhr gegen geplante anti-demokratische Gesetze
Neben der um sich greifenden Gewalt wird Israel zusätzlich von riesigen Protestwellen erschüttert. Die Proteste richten sich vor allem gegen Ministerpräsident Netanyahus Ankündigung, die Rechte des israelischen obersten Gerichts einzuschränken und somit das Justizsystem gezielt zu schwächen. Netanyahus neue rechts-religiöse Regierung war Ende Dezember vereidigt worden.
Die forumZFD-Partnerin Standing Together ist eine in Israel tätige Graswurzel-Bewegung. Unter dem Leitsatz „Wo gekämpft wird, gibt es Hoffnung“ (Where there is struggle, there is hope) mobilisiert sie jüdische und palästinensische Menschen in Israel für Frieden, Gleichberechtigung, sozialen und Klima-Wandel. Die Organisation will das Momentum nutzen, um einen Wandel zu erreichen.
„Als größte jüdisch-arabische Graswurzelbewegung in Israel haben wir eine Schlüsselrolle inmitten der derzeitigen Opposition und der Massenproteste gegen die von der Regierung geplante undemokratische Politik“, so Standing Together. „Hier entsteht eine hochenergetische Diskussion, die eine Chance sein kann, um eine Alternative zu schaffen. Eine Alternative, die der rechtsgerichteten Ideologie etwas entgegensetzt und die israelische Demokratie neu definiert.“ Informationen über die Arbeit von Standing Together unter https://www.standing-together.org/en
Erschwerte Bedingungen für internationale Organisationen
Eine weitere Gesetzesänderung könnte die Arbeit des forumZFD in Palästina und Israel zukünftig erschweren: Die israelische Regierung plant eine Steuer für Menschenrechtsorganisationen, die „direkt oder indirekt“ durch „auswärtige staatliche Einrichtungen“ finanziert werden. Dies würde die Projekte des Zivilen Friedensdiensts in Israel, und möglicherweise auch in Palästina, stark beeinflussen. Das Gesetz könnte im März 2023 beschlossen werden.
Das forumZFD in Israel und Palästina ist seit 1999 mit einem Büro in Ost-Jerusalem vertreten. Die Arbeit fußt auf Kooperationen mit der lokalen Zivilgesellschaft sowohl in Israel als auch in Palästina. Unter den Partnerorganisationen sind NGOs, Graswurzelorganisationen, soziale Bewegungen, Aktivist*innen und Kunstschaffende. Gemeinsame Projekte und Aktivitäten in den Bereichen Organisationsentwicklung, Community Organizing, und Medien für Sozialen Wandel sollen die Zivilgesellschaft langfristig dabei stärken, sozialen Spaltungen entgegenzuwirken und sich für inklusive Narrative einzusetzen. Weitere Informationen unter https://www.forumzfd.de/de/israel-palaestina.