Gemeinsam in die Zukunft
„We love Barelias“ ist eine der jüngsten Initiativen des Projekts „Future Together Now“. Der Name des Projekts ist Programm: Jetzt gemeinsam Zukunft gestalten. „Syrer und Libanesen fühlen sich als eine Gemeinschaft in Barelias, das wollen wir zum Ausdruck bringen“, erklärt Walaa Abou Jayyab. Die Palästinenserin aus Syrien lebt seit 2012 im Libanon. Sie ist eine der Community Activists von Basmeh und Zeitooneh, die das Projekt umgesetzt haben.
Mit „Future together now“ entwickeln sie seit 2015 gemeinsam mit Libanesinnen und Syrern vor Ort Aktionen, um beide Gemeinschaften einander näher zu bringen. Sie schaffen Räume der Begegnung, damit die neuen und die alteingesessenen Bewohner von Barelias sich treffen, miteinander ins Gespräch kommen und so Vorurteile abbauen können.
Die Bewohnerinnen und Bewohner können auch an Kursen für Dialog, Mediation, Team-Building oder Selbstfürsorge teilnehmen. So lernen sie, Probleme in ihrem Alltag gemeinsam und konstruktiv anzugehen. Die Teilnehmenden des Projekts nennen sich selbst Community Activists, Gemeindeaktivisten. Sie schließen sich mit anderen Ehrenamtlichen aller Gemeinden und Gruppen zusammen, um lokale Anliegen voranzubringen.
Wie eine neue Heimat
Auch Rana Bakr (Name auf Wunsch geändert, d.R.) arbeitet bei Basmeh und Zeitooneh. Sie lebt seit fünf Jahren in Barelias. Die junge Frau hat hier ihren syrischen Mann kennengelernt und eine Familie gegründet: „Dieser Ort ist für mich wie eine Heimat geworden. Heimat ist dort, wo ich mich sicher fühle. Aber vielleicht verlassen wir Barelias irgendwann. Und da möchten wir etwas Schönes zurücklassen.“
Alaa Alzaibak, ebenfalls in der Organisation engagiert, stimmt ihr zu und ergänzt: „Wir möchten auf das Gute aufmerksam machen. Denn trotz der vielen Syrer hier gibt es keine größeren Spannungen. Das ist doch positiv.“ Medyen Al-Ahmad, der vor sechs Jahren mit seiner Familie nach Barelias flüchten musste, betont die intensiven Kontakte zur libanesischen Gastgesellschaft: „Ich habe viele Freundschaften geschlossen. Wir teilen die Sorgen, aber auch die schönen Momente, die wir erleben.“
Die Liebeserklärung an Barelias und das Bekenntnis zur Gemeinschaft ist auf große Resonanz gestoßen, besonders in den Sozialen Medien. Bilder der Skulptur wurden geteilt, geliket und kommentiert. Andere Städte in der Umgebung haben Interesse gezeigt, eine ähnliche Skulptur aufzustellen. Der 42-jährige Libanese Jamal Mousa, der mit Basmeh und Zeitooneh zusammen arbeitet, ist begeistert: „Das ist eines der schönsten Dinge, die in Barelias gemacht wurden. Ich habe das Gefühl, dass meine Stadt jetzt etwas hat, das sie vorzeigen kann.“
Der stellvertretende Bürgermeister von Barelias ist gleicher Meinung: „Ich finde das toll! So eine Skulptur mag vielleicht einfach aussehen, aber es ist eine große Sache für uns. Wir danken allen, die das auf die Beine gestellt haben.“
Barelias ist eine Kleinstadt in der Bekaa-Ebene, im Osten des Libanon. Zur syrischen Grenze sind es ungefähr zwölf Kilometer. Nach Angaben von Khalid Salloum, Mitglied des Kommunalrates, leben 20.000 Libanesinnen und Libanesen im Ort und dreimal soviele syrische Flüchtlinge. Die Syrer mieten sich Wohnungen oder pachten Grundstücke, um darauf Hütten aus Plastikplanen und Holz zu bauen. Seit dem Ausbruch des Krieges im Nachbarland haben Hunderttausende im Libanon Zuflucht gefunden. Knapp eine Million Flüchtlinge sind bei der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR im Libanon registriert (Stand 31. Dezember 2017). Über ein Drittel von ihnen leben in der Bekaa-Ebene. Die Bevölkerungszahl des Libanon betrug vor dem Ausbruch des Krieges in Syrien ungefähr 4,5 Millionen. Heute ist fast jeder vierte Einwohner ein Flüchtling.
Die syrische Präsenz in Barelias ist nicht neu. Schon immer haben Syrer in dieser Region in der Landwirtschaft und im Handel gearbeitet. Auch viele verwandtschaftliche Beziehungen mit Familien jenseits der Grenze gibt es. Neu sind die große Zahl der Geflüchteten aus Syrien und die Dauer ihres Aufenthaltes. Der stellvertretende Bürgermeister betont die Solidarität der Bürger von Barelias mit den Vertriebenen: „Wir spüren große Sympathie und wir stehen ihnen in diesen schweren Zeiten bei. Wir sind offen für Fremde und immer gastfreundlich.“
Trotz dieser warmen Worte gibt es Schwierigkeiten. Große Herausforderungen für die Gemeinde sind die Infrastruktur, wie etwa Abwasser, Abfallentsorgung und Wasserversorgung, aber auch der Arbeitsmarkt. Bereits vor der Ankunft der syrischen Flüchtlinge waren Arbeistplätze Mangelware. Die Bekaa gehört zu den ärmsten Regionen des Libanon. Die schwierige Lage führt im Alltag zu Spannungen zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. Jamal Mousa sagt, dass die harten Lebensbedingungen alle gleichermaßen treffen würden: „Aber die Libanesen, denen es schlecht geht, die etwa keine Arbeit finden, geben den Syrern die Schuld.“ Alaa Alzaibak bemerkt, dass viele Voruteile verbreitet sind: „Negative Dinge über Syrer, egal ob sie stimmen oder nicht, wie etwa Berichte über Kriminalität, verbreiten sich sofort, insbesondere über soziale Medien. Positives verbreitet sich sehr viel langsamer“.
Räume der Begegnung
Im Büro von Basmeh und Zeitooneh kann man die verschiedenen Arbeitsschritte beobachten, die die Planung der Projekte durchlaufen. Ein bunter Konfliktbaum mit unzähligen Post-its klebt an der Wand. Der Baum zeigt die Komplexität der syrisch-libanesischen Beziehungen. Auf einem Strang steht: Die Nichtakzeptanz des Anderen. Alaa erklärt: „Wir fragten beide Bevölkerungsgruppen was sie übereinander denken. Syrer sagten, dass sie das Gefühl haben, die Libanesen würden auf sie herabschauen, sie würden denken sie seien ungebildet. Außerdem würden sie sie ausbeuten. Im Gegenzug sagten Libanesen, dass die Syrer ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen würden, die Mieten in die Höhe getrieben hätten, viel Strom und Wasser verbrauchen würden.“
Natürlich könnte man für jedes Vorurteil Beispiele bringen, die wirklich zutreffen, ergänzt Alaa Alzaibak. Aber es gebe auch viele Gegenbeispiele: „Die Syrer verbrauchen zwar Wasser und Strom, aber sie bezahlen dafür. Es gibt auch Libanesen, die faire Mieten verlangen. Es stimmt, dass Libanesen ihre Arbeistplätze verloren haben, aber mit den Flüchtlingen kamen auch viele Organisation, die wiederrum Arbeistplätze geschaffen haben.“
Zusammen mit der libanesischen Organisation „Junge Menschen machen Gutes“, in der Jamal Mousa mitarbeitet, sind die Aktivisten von Basmeh und Zeitooneh gerade dabei, ein weiteres Vorhaben umzusetzen. Das Motto „Gemeinsame Räume schaffen“ setzen sie wörtlich um. Sie haben ein großes Zelt, mitsamt Stühlen, Tischen, und einem Ofen angeschafft, das den Bewohnerinnen und Bewohnern von Barelias, Syrern und Libanesen, zur Verfügung gestellt werden soll – für öffentliche oder familiäre Veranstaltungen. Jeder kann es für einen symbolischen Preis ausleihen. 200 Menschen haben darin Platz. Das alles mag nicht sonderlich aufregend klingen; in Barelias aber fördert es das Zusammenleben und den Zusammenhalt in der Bevölkerung spürbar.
Basmeh und Zeitooneh (Lächeln und Oliven) wurde im September 2012 gegründet und ist eine seit 2014 offiziell im Libanon registrierte Nichtregierungsorganisation. Mit dem Ziel, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, war sie von Beginn an in der humanitären Hilfe aktiv. Heute engagiert sich Basmeh und Zeitooneh unter anderem in der Bekaa-Ebene. Dort arbeitet sie auch mit dem forumZFD zusammen. Über 100 festangestellte Mitarbeitende setzen sich in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur für vom Konflikt betroffene Menschen aus Syrien und dem Libanon ein.
In insgesamt fünf libanesischen Gemeinden fördern Konfliktberaterinnen und -berater des forumZFD zusammen mit lokalen Partnerorganisationen wie Basmeh und Zeitooneh den Dialog zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Sie bilden außerdem Mediatoren aus beiden Gruppen aus, die bei Konflikten vermitteln.