Katarina Barley

"Wir wollen ein Europa, das auf Abrüstung, Entspannung und auf friedliche Lösungen von Konflikten setzt."

Katarina Barley
© photothek_Thomas koehler

Die Europäische Union gilt als historisches Friedensprojekt. Doch die EU erfährt vermehrt Kritik vor allem für ihre Abschottungspolitik. Was wollen Sie tun, damit die Europäische Union in Zukunft (wieder) als Friedensprojekt gilt?

Die Europäische Union garantiert seit mehr als 70 Jahren Frieden und Stabilität auf unserem europäischen Kontinent. In meiner Familie haben
Kriege – wie in vielen anderen auch – furchtbare Spuren hinterlassen. Andererseits ist meine Familie ein gutes Beispiel für Verständigung und Liebe zwischen den Völkern. Ein friedliches Europa ist das Vermächtnis unserer Großeltern und Eltern, aber es ist eben nicht mehr selbstverständlich. Das sehen wir aktuell an der Diskussion um eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland, wo die überwunden geglaubte Gewalt schon wieder aufflackert. Um den globalen Herausforderungen begegnen zu können, muss Europa nach innen stark und einig sein. Gegen „America first“ hilft nur „Europe united“. Das heißt für mich: miteinander statt gegeneinander. Wir brauchen ein Europa der Werte.
Wir müssen vorangehen und zeigen, dass unsere demokratische Ordnung, soziale Sicherheit und Frieden untrennbar sind.

Das Friedensprojekt Europa gerät nicht zuletzt von innen unter Druck. Was sind die sozialdemo   kratischen Antworten auf die Gefährdung des sozialen Friedens in Europa?

Es stimmt: Frieden ist in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr. Vor allem, wenn man unter Frieden mehr versteht als die Abwesenheit von Krieg. Wir brauchen Zusammenhalt! Konkret heißt das: Wir wollen soziale Rechte. Ein erster Schritt in diese Richtung ist dank (?) uns – Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – mit der Verankerung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ gelungen. Da müssen wir weiter ansetzen. Wir werden uns weiter für bessere Arbeitsbedingungen und Armutsbekämpfung einsetzen. Zum Beispiel mit verbindlichen europäischen Standards für existenzsichernde Mindestlöhne. In Europa soll jeder von seiner Arbeit leben können. Mit einem europäischen Mindestlohn, der sich an der Wirtschaftskraft eines Landes orientiert, bekämen wir auch in Deutschland einen höheren Mindestlohn. Die SPD will ein soziales Europa für die Bürgerinnen und Bürger.

Muss die Europäische Union Ihrer Ansicht nach in Zukunft mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen und braucht es dazu eine stärkere Verteidigungsunion?

Wie schon gesagt: Die europäische Einigung wird vermehrt von innen und von außen infrage gestellt. Wir müssen für Einigkeit nach innen sorgen, aber eben auch für unsere Sicherheit nach außen. Darum wollen wir ein Europa, das auf Abrüstung, Entspannung und auf friedliche Lösungen von Konflikten setzt, mittelfristig auch eine gemeinsame europäische Armee. Ich finde aber auch einen europäischen Außenminister wichtig – damit die europäische Stimme in der Welt mehr Gehör findet.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten trügen eine Mitverantwortung für viele Krisen und gewaltsame Konflikte und damit für wesentliche Ursachen von Flucht und Migration, vor allem aufgrund einer gegenüber afrikanischen Staaten unfairen europäischen Wirtschaftspolitik und mit Rüstungsexporten an Staaten, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen?

Jeder einzelne Mitgliedsstaat verantwortet bisher seine eigenen Rüstungsexporte. Ich bin dafür, damit künftig sehr viel restriktiver umzugehen – und auch gemeinschaftlich zu kontrollieren. Und ja, der Vorwurf im Bereich der Wirtschaftspolitik ist in Teilen berechtigt. Darum mache ich mich
dafür stark, dass Europa mit seinem Handel einen Beitrag leistet für Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit – nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Unsere Handelsabkommen brauchen verbindliche Standards, die nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, gute Arbeitsbedingungen und Menschenrechte fördern und schützen. Wir sind da schon vorangegangen, aber wir können noch besser werden!

Katarina Barley ist Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die Europawahl 2019. Sie gehört der aktuellen Bundesregierung als Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz an.