Die Europäische Union gilt als historisches Friedensprojekt. Doch die EU erfährt vermehrt Kritik vor allem für ihre Abschottungspolitik. Was wollen Sie tun, damit die Europäische Union in Zukunft (wieder) als Friedensprojekt gilt?
Die europäische Integration ist vor allem eine Lehre aus den verheerenden Katastrophen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Seit über 60 Jahren gab es zwischen EU-Mitgliedsstaaten keinen einzigen Krieg mehr. Die EU ist und bleibt ein Friedensprojekt. Das ist ein einzigartiger Erfolg und Auftrag zugleich: Wir müssen unsere gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Frieden wahrnehmen und mithelfen, Konflikte in unserer Nachbarschaft zu bewältigen.
Das Friedensprojekt Europa gerät nicht zuletzt von innen unter Druck. Was sind Ihre Antworten auf die Gefährdung des sozialen Friedens in Europa?
Wir brauchen eine nach außen geschlossen auftretende Union, die gleichzeitig bereit ist, die notwendigen Reformen im Innern durchzuführen. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Terrorismus, Klimawandel, Digitalisierung, Migration sowie ein fairer und regelbasierter Welthandel bedürfen einer gemeinsamen europäischen Antwort. Die EU sollte sich auf die großen und wesentlichen Aufgaben konzentrieren, diese dann aber auch entschlossen zum Besseren gestalten. Dafür brauchen wir handlungsfähige europäische Institutionen. Die EU muss besser werden.
Muss die Europäische Union Ihrer Ansicht nach in Zukunft mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen und braucht es dazu eine stärkere Verteidigungsunion?
Ja. Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei. Wir Europäer müssen unser Schicksal konsequenter als bisher in die eigene Hand nehmen. Deshalb brauchen wir eine starke und selbstbewusste Europäische Union, die imstande ist, ihre Interessen zu wahren und sich ihrer internationalen Verantwortung zu stellen. Falls erforderlich, muss sie sich auch gemeinsam verteidigen
können. Deshalb sollten die EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen einer Verteidigungsunion auch militärisch enger zusammenarbeiten und durch so entstehende Synergieeffekte und eine bessere Abstimmung effizienter werden. Ziel ist es, Schritt für Schritt die rechtlichen und politischen
Voraussetzungen zu schaffen, damit es mittelfristig eine „Armee der Europäer“ geben kann.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten trügen eine Mitverantwortung für viele Krisen und gewaltsamen Konflikte und damit für wesentliche Ursachen von Flucht und Migration, vor allem aufgrund einer gegenüber afrikanischen Staaten unfairen europäischen Wirtschaftspolitik und mit Rüstungsexporten an Staaten, die Krieg führen oder Menschenrechte verletzen?
Diese Kritik teile ich so pauschal nicht. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten sind die mit Abstand größten Geber von öffentlicher Entwicklungshilfe. Allein im Jahr 2017 waren dies fast 76 Mrd. €. Derzeit haben 52 afrikanische Länder durch Wirtschaftspartnerschaftsabkommen privilegierten Zugang zum EU-Markt und zahlen in der Regel keine Zölle auf Ausfuhren nach Europa. Dieser entscheidende Zugang zu unserem Binnenmarkt stärkt die Wirtschaft in diesen Ländern. Die EU ist der offenste Markt für afrikanische Exporte weltweit. Rüstungsexporte werden nationalstaatlich geregelt. Deutschland legt zu Recht eine restriktive Rüstungsexportpolitik an den Tag.
David McAllister ist Spitzenkandidat der CDU Niedersachsen für die Europawahl 2019 und aktuell Vorsitzender des Ausschusses für
Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament.