
Bundeswehr an Schulen umstritten
Regelmäßig besuchen Jugendoffizier*innen der Bundeswehr Schulen und informieren Schüler*innen über ihre Arbeit. Abkommen der Bundeswehr mit einzelnen Landesregierungen wie in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg räumen der Bundeswehr weitreichende Möglichkeiten im Bereich der politischen Bildung sowie bei der Aus- und Weiterbildung (angehender) Lehrer*innen ein. Zudem machen Landesregierungen die Bildungsangebote der Bundeswehr in ihren Amtsblättern und auf ihren Online-Plattformen bekannt.
Explizite „Werbung“ für ihre Tätigkeiten darf die Bundeswehr im schulischen Kontext nicht machen. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Information und Werbung? „Wenn ich Offiziere vor eine Klasse schicke, dann ist da zwar die Intention der Information da, aber wir haben ja auch eine Wirkung, und diese Wirkung ist dann eben doch Werbung“, sagt auch der Berliner Sozialdemokrat Timo Schramm, der selbst vier Jahre Zeitsoldat war.
Motiv aus der Werbekampagne der Bundeswehr.
Nicht nur Friedensorganisationen, sondern auch der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bereitet der Einfluss der Bundeswehr in Schulen große Sorgen. Laut GEW sind Fälle bekannt, in denen Waffenschauen auf Schulhöfen und in Turnhallen stattfanden. Und die Gewerkschaft konstatiert, dass besagte Kooperationsabkommen mit Landesregierungen das offensive Vorgehen der Bundeswehr unterstützen.
Gegengewicht Friedensbildung
Jugendoffizier*innen sollten nur dann in die Schule eingeladen werden, wenn die notwendige politische Ausgewogenheit gewährleistet ist, fordert die GEW. Die Gewerkschaft will Friedensorganisationen und Friedensinitiativen die gleichen Rechte einräumen wie der Bundeswehr. Denn nur durch Friedensbildung können friedenspolitische Ansätze und die Möglichkeiten der zivilen Konflikt bearbeitung Eingang in den Unterricht finden.
Während die Jugendoffizier*innen aus einer Sicherheitslogik heraus Handlungsmöglichkeiten zur Überwindung von Konflikten erklären – es geht um Selbstschutz vor „den anderen“, Aufrüstung, Abschreckung, Drohung und notfalls Gewalt –, vermittelt die Friedensbildung, dass Frieden nur miteinander möglich ist. Wenn also internationale Konflikte im schulischen Kontext thematisiert werden, ist es wichtig, dass Schüler*innen nicht nur aus Sicht der Bundeswehr darauf schauen. Stattdessen sollten sie ebenso lernen, wie politische Konflikte mit gewaltfreien Mitteln überwunden werden können.
Friedensbildung vermittelt Perspektiven für konstruktive Formen der Auseinandersetzung mit den zwischenmenschlichen Konflikt- und Gewaltpotenzialen und leistet dadurch einen Beitrag zur Friedensfähigkeit von Menschen und Gruppen. Friedensbildung trägt auch zur Persönlichkeits- bzw. Identitätsentwicklung bei. Schüler*innen lernen etwa durch die Beschäftigung mit Friedensprojekten- und initiativen in Konfliktgebieten durchaus auch für sich selbst, wie sie in ihrem (Schul-) Alltag Vorurteile und Konflikte überwinden können.
Frieden lernen von klein auf - Angebote des forumZFD
Wir befinden uns in einer 3. Klasse einer Grundschule in Köln-Bilderstöckchen. Der Stadtteil im Kölner Norden gilt als sozialer Brennpunkt. Die beiden achtjährigen Jungs Sali und Ahmed (*Namen v. d. Red. geändert) stehen auf der Bühne der Schulaula und stellen pantomimisch einen Streit dar. Die Mitschüler*innen sehen Schläge in die Luft, angespannte Körperhaltungen, wütende Gesichter und sogar ein paar Fußtritte. Theaterpädagogin Heike Werntgen klatscht laut in die Hände. Sali und Ahmed sollen sich auf der Bühne wieder vertragen. Reden ist nicht erlaubt, stattdessen sollen sich die Jungs über ihre Körpersprache ausdrücken. Sie müssen sich einander öffnen und ihre Coolness ablegen. Sie zögern. Corona erschwert die Szene zusätzlich, denn Umarmungen und Berührungen sind heute nicht erlaubt. Doch dann entspannen sich die beiden kleinen Körper, die Jungs lächeln unter ihren Schutzmasken und werfen sich ein „Daumen hoch“ und ein angedeutetes „High Five“ zu. Heike Werntgen klatscht wieder in die Hände und ruft „Verbeugen!“. Die Klasse applaudiert und die nächste Kleingruppe springt auf die Bühne, um ihre Szene vorzuführen.
Heike Werntgen und Fug bringen Friedensbildung über das Medium Theater in die Schule und feuern die Schüler*innen beim Friedenslauf an.
Mit diesem theaterpädagogischen Workshop und anderen Angeboten vermitteln Bildungsreferent*innen im Auftrag des forumZFD bereits Kindern im Grundschulalter, was Frieden bedeutet. Der Fokus bei der Arbeit mit dieser jungen Zielgruppe: Die Kinder erkennen, dass Frieden in jeder und jedem Einzelnen von uns beginnt. Dafür arbeiten sie mit kreativen Methoden wie Theater, lernen aber auch mit kindgerecht aufbereiteten Informationen über Friedensprojekte, wie sich Gleichaltrige in anderen Teilen der Welt für Frieden und gegen Vorurteile einsetzen – zum Beispiel im Libanon.
Nach den Workshops berichten Lehrer*innen von einem veränderten Bewusstsein unter ihren Schüler*innen. Dass dieses Bewusstsein bleibt, daran glauben auch Heike Werntgen und ihr Workshop-Partner Fulgencio Morente Gómez – besser bekannt als „Fug“ aus der Fernsehsendung „Wissen macht Ah“ oder aus der „Sendung mit der Maus“.
Vielzahl verschiedener Angebote für alle Altersstufen
forumZFD Workshops und Veranstaltungen an. Was hat der Klimawandel mit Konflikten zu tun? Wie tragen Waffenexporte und unser Konsumverhalten zur Entstehung von Fluchtursachen bei? Aus der friedenslogischen Perspektive, die im Gegensatz zum sicherheitslogischen Denken immer auch die eigene Rolle und Verantwortung kritisch in den Blick nimmt, ist es wichtig, dass sich Jugendliche mit diesen globalen Zusammenhängen auseinandersetzen. Zum Beispiel bei einem „konsumkritischen Stadtrundgang“.
Durch Gesprächsrunden mit Geflüchteten, Filmvorführungen oder den Workshop „Gemeinsam Grenzen überwinden“ befassen sich Schüler*innen weiterführender Schulen mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Im Sinne der Friedenslogik kommen dabei auch die Menschen zu Wort, über die sonst häufig nur geredet wird. Viele der Referent*innen haben eine eigene Fluchtgeschichte und bringen diesen Erfahrungshintergrund in die friedenspädagogische Arbeit des forumZFD an Schulen ein.
Ein weiteres Beispiel: Beim Planspiel „Wie geht eigentlich Frieden?“ erleben die Schüler*innen hautnah, dass echter Frieden nur gemeinsam und unter Berücksichtigung aller Interessen erreicht wird. Ausgangssituation für das Planspiel ist, dass zehn unbegleitete minderjährige Geflüchtete in einer deutschen Gemeinde ankommen. Es geht darum, wo sie wohnen sollen. Die Schüler*innen verkörpern verschiedene Rollen, die ihnen vorab zugeteilt werden. Eine Schülerin spielt die Vertreterin eines örtlichen Jugendvereins. „Wir haben 10.000 Euro in die Instandsetzung der Alten Mühle investiert. Außerdem ist sie ein wichtiger Treffpunkt für die Jugendlichen unserer Gemeinde. Mehr als einen Raum können wir nicht abgeben“, sagt sie. „Aber die Geflüchteten möchten nicht im Landgasthof weit außerhalb des Ortes leben“, entgegnet ein anderer Schüler, der als Sprecher einer Willkommensinitiative in engem Austausch mit den Geflüchteten steht. „Wie sollen sie denn dort am Gemeindeleben teilhaben? Es gibt noch nicht einmal eine Busverbindung in den Ort.“ Beide ahnen: Eine Lösung kann nur Bestand haben, wenn sie gemeinsam erarbeitet und von allen getragen wird.
Schüler*innen der Sekundarschule Jülich erlernen mit Theater gewaltfreies Handeln in Konflikten.
Ausbau der Friedensbildung an Schulen angestrebt
Insgesamt erreicht das forumZFD pro Jahr durchschnittlich etwa 800 Schüler*innen mit 30 bis 35 Workshops und Gesprächsrunden. Über die bundesweiten Friedensläufe, die Corona-bedingt dieses Jahr alle ausfallen mussten, sind es im Durchschnitt 15.000 im Jahr. Unterrichtshefte mit ausgearbeiteten Unterrichtseinheiten unterstützen Lehrer*innen dabei, Friedensthemen selbst in den Unterricht einzubringen. Etwa 1.000 Unterrichtshefte werden von Lehrpersonen und Schulämtern jährlich angefragt.
Seit kurzem veranstaltet das forumZFD mit einzelnen Schulen ganztägige Projekttage zum Thema Frieden – sogenannte „Friedenstage“. Es dürfte zwar nahezu unmöglich sein, über unsere friedenspädagogischen Angebote die Anzahl der Schüler*innen zu übertreffen, die von der Bundeswehr erreicht werden. Doch nichts zu tun, ist keine Alternative.
Ein Friedenstag an Ihrer Schule
Ein Tag an dem alle gewinnen: Der Friedenstag ist ein kostenloses Angebot des forumZFD für Schulen. Er fördert das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft und im Schulalltag. Die Aktion kombiniert Sport, Workshops und gesellschaftliches Engagement für Friedensprojekte in Konfliktregionen.
Neugierig? Informieren Sie sich jetzt über einen Friedenstag an Ihrer Schule. Wir beraten Sie gerne und unterstützen Sie bei der Planung und Durchführung.